Hunde sind für viele Menschen wichtige Begleiter. So wichtig, dass zahlreiche Besitzer sie gar nicht mehr als Tiere sehen. Eine gefährliche Tendenz.
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Hundebesitzer behandeln ihre Vierbeiner oft wie Menschen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Hund gehört für viele Besitzer zur Familie.
  • Allerdings kann es problematisch sein, wenn man die Vierbeiner vermenschlicht.
  • Manche Herrchen sprechen ihre Tiere sogar mit «bitte» an.
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Er gilt als treuester Begleiter des Menschen – der Hund. Nur: Die Liebe zu ihrem Vierbeiner geht heute bei vielen zu weit. Für sie nimmt Bello oder Nala den gleichen oder gar höheren Stellenwert ein als manche Mitmenschen.

Nau.ch-Leserin Helene R.* (51) beobachtet, wie ein Freund seinen Labrador ganz höflich anspricht. «Er sagt, ‹komm bitte essen›, statt ihm klare Ansagen zu machen», erzählt die Zürcherin. «Und wenn er auf den Schuhen rumkaut, bittet er ihn, damit aufzuhören.»

Ein Experte schüttelt den Kopf. «Dieses Phänomen nennt man Vermenschlichung oder nicht artgerechte Haltung», sagt Verhaltensexperte Oliver Weber zu Nau.ch.

Heisst: Die Leute fangen an, Hunde «wie vierbeinige Menschen» zu betrachten und zu behandeln.

Hunde als Statussymbol oder Partnerersatz

«Das fängt bereits beim Anschaffungsgrund an. Denn viele Menschen kaufen ihren Hund vor allem aus emotionalen Gründen», so Weber. «Etwa als Kinder- oder Partnerersatz, als Statussymbol. Oder als Unterstützung bei einer psychischen Erkrankung, in der Hoffnung, der Hund wirke therapeutisch.»

So werde man aber den Bedürfnissen der Tiere nicht gerecht. «Leider sind die meisten Hunde dann überfordert und zeigen Verhaltensauffälligkeiten.»

Der Geschäftsführer vom «Der Dog Coach»-Trainings-Zentrum Schweiz betont: «Entscheidend sind bei der Anschaffung auch die gleich wichtigen rationalen Gründe.»

Hunde glücklich
Hunde werden oft aus emotionalen Gründen angeschafft, weiss ein Experte.
Mann mit Hund
Das Problem damit: Der Hund wird als Ersatz für Kinder, Partner oder gar als Statussymbol angesehen.
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«Leider sind so die meisten Hunde überfordert und zeigen Verhaltensauffälligkeiten.»
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Denn die Vierbeiner benötigten eine klare und eindeutige Führung, die auch Entscheidungen trifft. (Archivbild)
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Besonders gefährlich werde die Vermenschlichung, wenn Menschen ihren Hunden dieselben Lebensmittel oder Medikamente geben. (Symbolbild)

Also zum Beispiel: «Habe ich Zeit? Habe ich genügend finanzielle Mittel? Und sehe ich mich persönlich überhaupt in einer Führungsrolle?»

Auch der letzte Punkt ist wichtig, wie Weber betont. Denn die Vierbeiner benötigten aufgrund ihres natürlichen Verhaltens eine klare Führung, die Entscheidungen trifft.

«Hunden ausschliesslich mit einer ‹Micky-Maus-Stimme› und in ‹Babysprache› Kommandos geben zu wollen, ist da wenig hilfreich», so der Verhaltensexperte. Die Tiere reagieren ihm zufolge viel besser auf die Körpersprache, Gestik und Mimik des Menschen.

Vermenschlichung kann für Hunde tödlich enden

Besonders gefährlich werde die Vermenschlichung, wenn Menschen ihren Hunden dieselben Lebensmittel oder sogar Medikamente geben. «Je nach Substanz oder Inhaltsstoff kann es für den Vierbeiner tödlich enden», warnt der Hundecoach.

Weber arbeitet seit vielen Jahren mit Mensch und Hund als Team zusammen. Dabei hat er schon viele Fälle und Formen der Vermenschlichung gesehen.

Er rät: «In erster Linie ist es wichtig, den Besitzern professionell ihr eigenes Verhalten zu reflektieren.» Und: «Erst wenn sie sich ihres eigenen Anteils bewusst sind, können sie auch ihr Verhalten zum Hund verbessern.»

Sind die Hunde in Ihrem Umfeld gut erzogen?

In einem nächsten Schritt würde dann ein individueller Trainingsplan aufgestellt, um den Vierbeiner an die neue Situation zu gewöhnen.

«Das nimmt je nach Schwere der Vermenschlichung unterschiedlich viele Sitzungen in Anspruch», so Weber. Aber: «80 Prozent unserer Arbeit liegt definitiv beim Menschen, 20 Prozent beim Hund

*Name der Redaktion bekannt

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