Die FDP-Frau Tamara Alù setzt im Basler Grossrats-Wahlkampf auf Sichtbarkeit. Dafür nutzt sie alle Kanäle, die ihr beruflich und politisch zur Verfügung stehen.
Tamara Alù
Für ein hundefreundliches Basel: FDP-Kandidatin Tamara Alù mit Giulia. - onlinereports.ch / Alessandra Paone

Das Wichtigste in Kürze

  • Tamara Alù kandidiert für die FDP für den Grossen Rat in Basel-Stadt.
  • Als Marketig-Spezialistin nutzt sie im Wahlkampf alle Kanäle.
  • Sie will den vor vier Jahren verlorenen Sitz zurückgewinnen.
Ad

Es gibt Politikerinnen und Politiker, die ohne Anstrengungen weiterkommen. Weil die Umstände besonders günstig sind oder Alternativen fehlen.

Glaubst du, dass die FDP bei den kommenden Basler Grossratswahlen wieder zulegen kann?

Und es gibt Tamara Alù. Eine Frau, ein Plan.

Alù trat vor vier Jahren der FDP bei. Seither arbeitet die 37-jährige Marketing-Spezialistin am verstaubten Image der Partei und an ihrer eigenen Karriere. Fleissig und fokussiert.

Dass der Freisinn seinen früheren Glanz zurückerlangt und an einstige Erfolge anknüpft, ist eher illusorisch – nicht nur in Basel. Dafür haben sich die Parteienlandschaft und die Gesellschaft zu sehr gewandelt. Die LDP, stärkste bürgerliche Kraft im Grossen Rat, hat in den vergangenen Jahren an Einfluss gewonnen und die FDP verdrängt. Am rechten Rand dominiert die SVP, die bei den eidgenössischen Wahlen 2023 die LDP überholt hat. Die politische Mitte ist im Vergleich zu früher breiter aufgestellt. Und mit der GLP, der wohl grössten Konkurrentin der FDP, hat sich ein Auffangbecken für desillusionierte Freisinnige gebildet.

Herbe Verluste wie die Abwahl von Daniel Stolz als Nationalrat 2015 oder jene von Baschi Dürr als Regierungsrat 2020 haben die FDP in Basel-Stadt zusätzlich geschwächt. Seither ist die Partei in beiden Gremien nicht mehr vertreten.

Dürr, Urgese – Alù?

Und doch, so Alùs Plan, soll die Basler FDP wieder strahlen, wenigstens ein bisschen. Dafür brauche es neben Inhalten auch Köpfe.

Wie Baschi Dürr. Der ehemalige Sicherheitsdirektor schaffte es im vergangenen Herbst zwar nicht in den Nationalrat, er prägte den Wahlkampf der Basler Freisinnigen aber massgeblich. Immerhin konnte die FDP leicht zulegen.

Wie Luca Urgese. Fast wäre dem Grossrat und ehemaligen Parteipräsidenten bei der Ersatzwahl im Frühling für den früheren Regierungspräsidenten Beat Jans ein Coup gelungen. Sein starker Auftritt verlieh dem Freisinn in Basel Schub. Am Ende setzte sich aber der Sozialdemokrat Mustafa Atici durch.

Oder wie Tamara Alù. Der Kopf hinter den Köpfen. Sie ist Vizepräsidentin und war an den beiden kleinen Höhenflügen der FDP beteiligt. Als Kandidatin bei den eidgenössischen Wahlen vor einem Jahr, bei denen sie allerdings den letzten Platz belegte, und als engagierte Unterstützerin von Urgese im Regierungs-Wahlkampf. Aktuell leitet sie den freisinnigen Grossrats-Wahlkampf und sorgt für eine sichtbare Kampagne – auch für sich selbst.

Auf Plakaten und Bierdeckeln

Alù kandidiert im Wahlkreis Grossbasel-West. Die FDP hat dort vor vier Jahren einen Sitz verloren und ist derzeit mit Luca Urgese und Christian Moesch vertreten. Da es damals knapp gewesen sei, stünden die Chancen auf ein drittes Mandat im grössten Wahlkreis gut, sagt Alù. Parteipräsident Johannes Barth tritt ebenfalls in Grossbasel-West an.

Die routinierte Campaignerin – sie hat von 2018 bis 2021 bei der Handelskammer beider Basel die Abstimmungskampagnen geleitet – setzt jedenfalls alles daran, dass sie am 20. Oktober neben den beiden Bisherigen in den Grossen Rat einzieht. Geschickt nutzt Alù alle Kanäle, die ihr politisch und beruflich zur Verfügung stehen. Dadurch ist sie sehr präsent. Nicht nur auf den Plakaten der FDP.

Alù erscheint auch auf den Aushängen der FDP Frauen. 2021 übernahm sie das Präsidium der Sektion, verpasste ihr neue Strukturen und führte eine Kommunikationsstrategie ein. Ihr Ziel: mehr Sichtbarkeit, mehr Gewicht. Seither verzeichnen die freisinnigen Frauen knapp 20 Prozent mehr Mitglieder und bringen sich aktiv in die politische Debatte ein. Etwa mit Schwerpunktthemen wie öffentliche Sicherheit, Individualbesteuerung oder sexualisierte Gewalt. Vor einem Jahr organisierten sie einen Selbstverteidigungskurs.

Die FDP-Frauen nehmen teilweise eine andere Haltung ein als die Männer und sprechen sich zum Beispiel für Videoüberwachungen im öffentlichen Raum aus. «Wir vertreten grundsätzlich dieselben Werte, aber bei Frauenthemen argumentieren wir aus einer anderen Perspektive. Das darf so sein», sagt Alù.

Ihr Gesicht ist auch auf den Bierdeckeln von Kulturstadt Jetzt zu sehen. Das Komitee empfiehlt die Freisinnige zusammen mit weiteren 15 Mitgliedern für den Grossen Rat. Alù wünscht sich «eine vibrierende Stadt», mehr kreative Freiräume und noch mehr kulturelle Vielfalt. Der Erhalt des Musical Theater Basel liegt ihr besonders am Herzen.

Vom Gewerbeverband auserwählt

Mit der Kampagne des Gewerbeverbands Basel-Stadt erlangt Alù jedoch am meisten Aufmerksamkeit. Dieser empfiehlt insgesamt 64 besonders wirtschaftsfreundliche Kandidatinnen und Kandidaten. Davon schafften es allerdings nur vier aufs Plakat, darunter auch Alù.

Die Auserwählten sind entweder beim Gewerbeverband angestellt (Alù und LDP-Grossrätin Nicole Strahm-Lavanchy) oder gehören dessen Vorstand an (LDP-Grossrätin Lydia Isler-Christ und SVP-Mann Hansjörg Wilde als Präsident). Alù leitet seit März 2023 den Bereich Politik.

Tagelang lächelten die vier Kandidierenden von Aufklebern am Tram. Die offensive Marketing-Aktion missfiel vor allem im bürgerlichen Lager. Von ungleichen Ellen war die Rede, von Begünstigung. Alù spricht indes von einer «Fokus-Kampagne», für die sich der Vorstand entschieden habe. «Schade, dass das Ganze medial derart aufgebauscht wurde, denn es steckt kein böser Wille dahinter», sagt sie. Der Verband habe lediglich diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten hervorheben wollen, die ihm nahestehen.

Alù verschickt auch Postkarten, auf denen sie mit Luca Urgese zu sehen ist. Sie hätten in den vergangenen Jahren eng zusammengearbeitet, unter anderem bei der Handelskammer beider Basel. «Es wäre schön, wenn wir unsere Arbeit im Grossen Rat weiterführen könnten.» Alù und Urgese haben ein ähnliches politisches Profil, beide sind sehr wirtschafts- und gesellschaftsliberal.

Für Giulia

Sie ist jedoch grüner. Nicht bei Verkehrsfragen – Alù liebt Autos, wie sie einst Bajour verriet. Aber beim Tierwohl. Die Vegetarierin verbringt viel Zeit mit ihrer Hündin Giulia, nimmt sie mit, wann immer es geht. Die Sommerferien hat sie an einem Hundestrand im italienischen Bibione verbracht. Auch jetzt, während des Gesprächs mit OnlineReports, ist Giulia dabei. «Stört es Sie, wenn die Kleine auf meinem Schoss sitzt?», fragt sie.

Ihre Liebe für Tiere und im Speziellen für Hunde führte Alù 2009 nach einem Start bei den Jungfreisinnigen zur GLP. Die Partei war in Basel noch neu, und Alù versprach sich wegen des «G» im Namen ein grösseres Interesse für Tierschutzthemen. 2011 verliess sie die Politik zwischenzeitlich und widmete sich ihrer Marketing-Ausbildung.

Inzwischen sei das «G» auch in der FDP angekommen, sagt Alù. Basel könnte aber noch hundefreundlicher sein. Ihre Vision: in jedem Quartier eine Freilaufzone mit Wasseranschluss, wo sich die Vierbeiner unbeschwert austoben können. Und mehr Parks, die für Hunde zugänglich sind.

Ob sie im Grossen Rat gleich einen Vorstoss für eine tiefere Hundesteuer einreichen würde? Vielleicht! Doch zuerst muss sie gewählt werden. «Sollte es nicht klappen, würde es mir stinken», sagt sie. Sie habe viel dafür gearbeitet. Politik sei «ein zeitintensives Hobby», daneben habe nicht viel Platz. Sie habe auch das Tanzen, ihre Leidenschaft, aufgegeben.

Doch selbst wenn Alù den Einzug in den Grossen Rat verpassen sollte – sie wäre politisch nicht abgeschrieben. Der nächste Schritt könnte das Parteipräsidium sein. Verliert die FDP am 20. Oktober, dürfte es für Chef Johannes Barth ungemütlich werden.

Als Vizepräsidentin und mit ihrer Erfahrung als Präsidentin der FDP Frauen hätte Alù gute Voraussetzungen für den Posten.

Alù for president – was sagen Parteimitglieder dazu? So kurz vor der Grossratswahl möchte sich niemand namentlich äussern. Grundsätzlich schätzt man ihr grosses Engagement für die FDP. Für den Grossen Rat wäre sie eine Bereicherung, doch für das Parteipräsidium sei es noch zu früh, sagt eine Freisinnige. An der Spitze brauche es eine Person mit Erfahrung, Dossiersicherheit und strategischem Geschick: «Wie damals Luca Urgese.» Ausserdem trage Alù zu viele Hüte und tanze auf zu vielen Hochzeiten. Und ob das Präsidium vereinbar wäre mit ihrem Job beim Gewerbeverband, sei auch eher fraglich.

Wäre der Posten für Alù überhaupt eine Option? Das Präsidium sei zurzeit gut besetzt und daher jetzt für sie kein Thema. Und später? Das werde sie sich dann in Ruhe überlegen, wenn es so weit sei. Sie lächelt und streichelt ihre Hündin.

Vielleicht kennt Giulia Alùs Plan.

***

Hinweis: Dieser Artikel von Alessandra Paone wurde zuerst im Basler Newsportal «OnlineReports» publiziert.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

NationalratWahlkampfBeat JansTheaterGewaltHerbstBaschiLiebeGLPSVPFDP