Freiluftkinos: organisatorisch anspruchsvoll und doch unabdingbar

Keystone-SDA
Keystone-SDA

Zürich,

Es ist Sommer, aller Orten werden Open-Air-Kinos aufgebaut. Grosse sind allerdings kaum noch zu sehen. Woran liegt es?

Open-Air-Kinos
In der Schweiz laden dieses Jahr fast 300 Open-Air-Kinos in allen Regionen zu Filmerlebnissen unter freiem Himmel ein. (Archivbild) - dpa

Kino im Sommer bedeutet in der ganzen Schweiz Filmerlebnis unter freiem Himmel und weniger im Saal. Dabei fällt vor allem auf, dass in den letzten 15 bis 20 Jahren die grossen Open Airs weniger wurden, dafür immer mehr kleine Freiluftkinos entstehen – in Schwimmbädern, in Hinterhöfen oder in Gärten.

Diesen Eindruck bestätigt Edna Epelbaum, Präsidentin des Schweizerischen Kinoverbandes (SKV). «Die Organisation eines Freiluftkinos ist sehr anspruchsvoll», sagt sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Logistische und finanzielle Gründe spielten eine Rolle. Dazu komme, so Epelbaum, «wie bei allen Veranstaltungen, die draussen stattfinden, das Wetterrisiko».

Die Kosten seien höher als die Einnahmen, so Epelbaum. Ins Gewicht fielen die ganze Infrastruktur, vom Projektionsmaterial über Leinwand, Bühne und Sitze bis hin zur Verpflegung, sowie die Ausgaben für das Personal. «Deshalb braucht es bei Open Airs im grossen Stil auch grosse Sponsorinnen und Sponsoren, die finanziell mithelfen.»

Heute sind das vor allem noch die Allianz-Versicherung und die Detailhändlerin Coop. Die kleineren Veranstaltungen in der Schweiz tragen meist lokale Kinobetreiberinnen und Kinobetreiber, unterstützt von lokalen Firmen.

Die Personalkosten werden tief gehalten, weil sich zahlreiche Freiwillige engagieren. Solche Open Airs sind «viel einfacher aufgegleist und in die Tat umgesetzt», so Epelbaum.

Die Open-Air-Kinos haben 2024 laut dem Kinoverband für drei Prozent der jährlichen Kinoeintritte gesorgt. «Umsatzmässig sind sie also nicht matchentscheidend», so Epelbaum. «Dennoch gehört das Freiluftkino zum unabdingbaren Kinoangebot.»

Einen Film gemeinsam zu geniessen – ob draussen oder drin – gehöre zu den beliebten Freizeitaktivitäten in der Schweiz. Und: Genauso vielfältig wie die hiesige cineastische Landschaft, sei auch das Angebot von Kinos unter freiem Himmel.

Grob lässt sich das Filmangebot in Freiluftkinos in zwei Bereiche aufteilen: Wiederholung der Höhepunkte des laufenden Kinojahres und Vorpremieren, die einen Vorgeschmack auf das Programm des Spätsommers und Frühherbsts geben.

Ein dritter Bereich sind die Spartenprogramme – Kinos also, die unter freiem Himmel Werke zu besonderen Themen oder aus spezifischen Genres zeigen.

«Open-Air-Kinos haben sich sehr stark verändert»

Edna Epelbaum, die in fünf Städten Kinosäle betreibt und seit langem im Geschäft ist, sagt: «Open-Air-Kinos haben sich sehr stark verändert – sowohl technologisch als auch inhaltlich.» Das habe auch mit der veränderten Programmierung zu tun. Bis in die 90er-Jahre seien die Blockbuster zwischen Herbst und Frühling ins Kino gekommen.

Der Sommer sei deshalb jeweils die Zeit der Reprisen gewesen. Daneben hätten sich Kinos, gerade in ländlichen Gegenden, für eine Schliessung während der publikumsarmen Sommerzeit entschlossen. «Damals haben die Open Airs somit die Kinokultur weiter belebt und weiter gelebt», sagt Epelbaum.

Heute sieht es anders aus. «Die grösseren Filme starten international innerhalb von wenigen Wochen. Das heisst, auch die Starts in der Schweiz sind abhängig von diesen weltweiten Daten», sagt die Verbandspräsidentin.

Manchmal kannibalisieren sich die Werke, doch es gibt auch Ausnahmen: 2023 war der Sommer mit «Barbie» und «Oppenheimer». Beide Filme kamen bei grosser Hitze in die Schweiz, und sie kamen gleichzeitig ins Kino. Eigentlich ungünstige Voraussetzungen. Doch beide feierten riesige Erfolge.

Das sommerliche Angebot bestimmen jedoch nicht mehr nur Filme aus den USA. «Letztes Jahr zum Beispiel haben wir mit den beiden französischen Werken 'Le Compte de Monte Cristo' und 'Un p’tit truc en plus' gesehen, dass im Sommer auch europäische Filme einen starken Auftritt haben können. Das wäre vor 30 Jahren noch undenkbar gewesen», sagt Epelbaum.

Veränderungen zeigten sich auch in der technologischen Entwicklung. «In den letzten 15 Jahren hat sich die Projektionstechnologie vollends digitalisiert», sagt Epelbaum. «Für Open-Air-Kinos war dieser Wechsel ein weiteres Risiko. So müssen zum Beispiel Abspielkabinen rund um den Projektor wetterfest und klimatisiert sein.»

Gleichzeitig hätten sich auch die stationären Kinosäle weiterentwickelt. «Vielerorts sind die Säle während der heissen Monate willkommen als kühler Rückzugsort mit kulturellem Angebot», so Epelbaum.

Zurück zu den Freiluftkinos. Es gibt sie auch im Sommer 2025. Sie sind kleiner geworden und nicht mehr zwingend auf prominenten Plätzen zu finden. Doch der Favorit der Verbandspräsidentin gehört zu den ganz Grossen auf einem prominenten Platz: «Für mich ist nach wie vor die Piazza Grande in Locarno das schönste Kinoerlebnis unter freiem Himmel.»*

*Dieser Text von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

Kommentare

Weiterlesen

OpenAirKinoSchlatt
Schlatt bei Gasel

MEHR AUS STADT ZüRICH

Leandro Riedi
1 Interaktionen
Tiebreak-Krimi
Studentin Laptop
43 Interaktionen
180'000 Fr.