Seit Januar wird für Kinder eine Impfung gegen gefährliche Bakterien neu empfohlen. Bei einigen Eltern löst das Verunsicherung aus.
Impfung
Das BAG empfiehlt für Kinder neuerdings eine Impfung gegen einen Typ Meningokokken-Bakterien. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Für Kinder wird neu eine Impfung gegen eine Gruppe Meningokokken-Bakterien empfohlen.
  • Das Wort «neu» im Zusammenhang mit einer Impfung macht Eltern hellhörig.
  • Einige sind skeptisch und fragen nach, ob es sich um eine mRNA-Impfung handelt.
Ad

Sie waren Thema Nummer eins während der Coronapandemie: Impfungen. Während sich rund 69 Prozent gegen das Coronavirus impfen liessen, verzichtete der Rest der Bevölkerung darauf.

In den Nachbarländern war die Quote höher. In Italien waren rund 81 Prozent geimpft. In Deutschland waren es über 76 Prozent, in Frankreich über 78 und in Österreich über 71. In der Schweiz war die Corona-Impfskepsis im Vergleich also grösser.

Kein Wunder, scheint der Begriff «neu» im Zusammenhang mit einer Impfung weiterhin Verunsicherung auszulösen. Das zeigt sich bei der Impfung gegen Meningokokken, die seit Januar bei Kindern empfohlen wird.

Aber von vorne.

Kleinen Kindern müssen Arme und Beine amputiert werden

Meningokokken sind Bakterien, die sehr schwere Erkrankungen wie Hirnhautentzündungen oder Blutvergiftungen verursachen können. Teilweise müssen erkrankten Kindern Arme und Beine amputiert werden: Ein bekannter Fall ist Charlotte Cleverley-Bisman, die sich als Baby ansteckte. Die Erkrankung kann gar tödliche Verläufe haben.

Gefährdet sind laut BAG insbesondere Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche. Es sei zwar selten, dass sie sich anstecken. Kommt es trotzdem vor, seien das «sehr schwere Ereignisse», erklärt Sprecher Simon Ming.

Meningokokken
Die Neuseeländerin Charlotte Cleverley-Bisman infizierte sich als Kleinkind mit Meningokokken. Ihr mussten alle Gliedmassen amputiert werden.
Bakterien
Meningokokken des Serotyps B kommen in der Schweiz seit Kurzem häufiger vor.
Impfung
Deshalb wird seit Januar Eltern empfohlen, ihre Kinder dagegen zu impfen. (Symbolbild)
Impfung
Das Wort «neu» im Zusammenhang mit einer Impfung verunsichert aber einige Eltern, wie eine Kinderärztin beobachtet. (Symbolbild)
Impfung
Sie wurde schon ein paar Mal von Eltern gefragt, ob es sich um eine mRNA-Impfung handelte – als sie verneinte, stimmten sie der Impfung zu.

Neu ist die Impfzulassung und -empfehlung für Meningokokken der sogenannten Serogruppe B. Impfungen und Impfempfehlungen gegen andere Meningokokken-Typen gibt es in der Schweiz aber bereits seit über 15 Jahren.

Grund für die Neuerung: «Die Serogruppe B gehört in der Schweiz zu den aktuell häufiger getesteten Serogruppen.» Die Anzahl Fälle hat also zugenommen.

Eltern wegen mRNA-Impfungen besorgt

Daten zur Durchimpfungsrate liegen noch keine vor, da die Empfehlung erst seit Januar gilt. Doch eine gewisse Verunsicherung ist bei Eltern vorhanden. Sandra Burri vom Vorstand der Branchenorganisation Kinderärzte Schweiz beobachtet: «Eltern interessieren sich bei dieser Impfung häufiger für den Aufbau des Wirkstoffs.»

Das hat auch mit Corona zu tun. «Ich werde zum Beispiel häufig gefragt, ob es sich bei der Meningokokken-Impfung um einen mRNA-Impfstoff handelt», sagt sie zu Nau.ch. «Das erlebe ich bei dieser Impfung öfter als bei den altbekannten Basis-Impfungen.»

Hast du Kinder?

Bei mRNA-Wirkstoffen ist also offenbar eine grössere Skepsis vorhanden. «Wenn ich den Eltern dann erkläre, dass die Impfung nichts mit mRNA zu tun hat, entscheiden sich viele dafür.»

Es landen aber ohnehin nicht viele Eltern bei ihr in der Praxis, die Impfungen gegenüber grundsätzlich kritisch eingestellt sind. «In Elternkreisen spricht sich herum, welche Ärztinnen oder Ärzte die Basis-Impfungen empfehlen und welche kritischer sind. Impfkritische Eltern gehen auch zu Kinderarztpraxen, die alternativen Impfschemen gegenüber flexibler eingestellt sind.»

Expertin warnt: «Es gibt sehr gefährliche Erreger»

Sie selbst legt Eltern die Basis-Impfungen für Kinder eindringlich ans Herz. «Es gibt sehr gefährliche Erreger», betont die Kinderärztin. Ein Beispiel sei das Bakterium Haemophilus influenzae. «Das führt recht häufig zu Hirnhautentzündungen – im schlimmsten Fall endet das tödlich.»

Auch etwa Masern und Starrkrampf könnten gefährlich werden, wenn man nicht dagegen geimpft ist. «Ich empfehle allen, die Kinder zumindest gegen diese Krankheiten zu impfen.» Dass Eltern sich nur einzelne Impfungen herauspicken, komme tatsächlich öfter vor.

Hier haben die Kinderarztpraxen jedoch das Problem, dass die Pharmafirmen fast nur noch Kombinationsimpfstoffe herstellen. «So ist ein individuelles Impfschema nicht immer möglich», sagt Burri.

Kinderärztin
Die Kinderärztin Sandra Burri fragt bei impfkritischen Eltern regelmässig nach, ob Impfungen doch noch ein Thema geworden sind. (Symbolbild) - keystone

«Lehnt jemand jede Impfung ab, sollte man sich davon nicht frustrieren lassen. Wichtig ist, im Gespräch zu bleiben.» So frage sie regelmässig nach, ob Impfungen inzwischen doch zum Thema geworden seien. «Schlimm wäre es, wenn ein Kind beispielsweise an Meningokokken erkrankt und ich die Eltern nie auf die Impfung angesprochen hätte.»

Es komme immer wieder vor, dass die Leute ihre Meinung ändern. Oder: «Manchmal entscheiden sich Teenager später selbst dazu, die Impfungen nachzuholen, und für die Eltern ist das okay.» Am Schluss würden alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollen. Nur daran, was das bedeutet, scheiden sich die Geister.

Übrigens: Das Coronavirus hat sich nicht gross auf die Rate bei den Basis-Kinderimpfungen ausgewirkt. Laut BAG sind sie zwischen 2019 und 2022 nicht zurückgegangen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

CoronavirusBakterienMasernDaten