Am Bezirksgericht Meilen haben am Donnerstagvormittag die Beschuldigte und der Geschädigte ausgesagt. Sie hatte Ende September 2020 ihren Ehemann mit einem Messer attackiert und schwer verletzt. Die Staatsanwältin warf ihr versuchten Mord vor.
Justitia
Justitia - AFP/Archiv
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Die heute 52-jährige Schweizerin beantwortete die Fragen des Gerichts weitschweifig, streckenweise wirkten ihre Aussagen wirr. Immer wieder gab es Ungereimtheiten und Widersprüche.

Die Frau ist psychisch angeschlagen. Der Gutachter stellte eine bipolare Störung fest. Er attestierte ihr eine mittelgradig verminderte Schuldfähigkeit. Sie fühlt sich offenbar generell schlecht behandelt, angegriffen bedroht. So machte sie geltend, der Mann habe sie «psychisch fertig» gemacht, ständig habe er sie kritisiert, angeschrien, beleidigt.

Die von der Staatsanwältin aufgeführte Qualifikation der Tat als versuchten Mord finde sie «total übertrieben». Das sei «sehr schlimm, beleidigend und rufschädigend».

Der Mann seinerseits macht seine Aussagen ruhig und sachlich, laut Staatsanwältin absolut glaubhaft. Sie deckten sich auch mit Aussagen von Zeugen und medizinischen Feststellungen. Er führte aus, die Frau sei wegen der kleinsten Bemerkung sofort in die Luft gegangen. So seien Auseinandersetzungen immer wieder eskaliert.

Dabei sei es aber jeweils bei Worten geblieben, bis auf einen Vorfall Anfang Mai 2020. Damals habe die Frau ihm mit einem Messer in der Hand gedroht, ihm den Penis abzuscheiden. Er sei ins Kinderzimmer geflüchtet und habe sich mit dem Sohn eingeschlossen. Damit habe sie ihn nur erschrecken wollen, sagte die Frau vor Gericht.

Am Abend des 30. September fuhr sie per Velo zur Wohnung, wo der Ehemann seit kurzem wohnte. In einem Rucksack brachte sie unter anderem drei grosse Küchenmesser mit. Sie habe «einfach die grössten» eingepackt, sagte sie. Damit habe sie sich sicherer gefühlt. Als er ihr die Tür geöffnet und das Messer gesehen habe, habe er sie angegriffen. Da habe sie zugestochen.

Der Mann schilderte den Ablauf völlig anders. Sie habe sofort die Tür seiner Wohnung abgeschlossen und sei auf ihn los gegangen. Versuche, sie zu beruhigen, ihr das Messer wegzunehmen oder aus der Wohnung zu flüchten, seien erfolglos geblieben. Schliesslich sackte der Mann blutüberströmt zusammen, konnte aber noch nach Hilfe rufen.

Nachbarn hörten die Rufe und schauten durch das Fenster neben der Wohnungstür. Sie sahen den Verletzten am Boden liegen und die Frau über ihm hocken mit einem Messer in die Hand. Erst als die Polizei kam, liess sie von ihm ab.

Die Rechtsmediziner stellten später mehr als zehn Stichverletzungen fest. Einzelne davon waren lebensgefährlich. Wie der Mann sagte, war ihm schon damals klar: «Sie wollte mich umbringen». Sie habe gesagt, ich hätte kein Recht zu leben. «Ich hatte Todesangst».

Die Frau räumte ein: Den Tod des Mannes «musste ich in Kauf nehmen». Sie sei aber nicht mit dem Ziel, ihn zu töten, zu ihm gefahren. «Es war eine Art Hilfeschrei», erklärte sie. Sie habe die ganze Zeit, bis die Polizei kam, den Eindruck gehabt, sie müsse sich verteidigen.

Die Staatsanwältin forderte eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Sie verlangte eine 13-jährige Freiheitsstrafe sowie eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 100 Franken. Die Freiheitsstrafe sei zu Gunsten einer stationären Massnahme aufzuschieben. Der Verteidiger und die Vertreterin des Mannes kommen am Nachmittag zu Wort.

Seit dem Vorfall vom 30. September 2020 befindet sich die Frau in Haft. Mitte Juni 2022 trat sie den vorzeitigen Massnahmenvollzug in einer psychiatrischen Einrichtung an.

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