Die Umkleidekabine wird zum grossen Problem
Umziehen in der Umkleidekabine? Das getrauen sich immer weniger Jugendliche. Grund dafür: Handykameras und eine Scham vor dem eigenen Körper.

Das Wichtigste in Kürze
- Umkleidekabinen in Schweizer Schulen haben mit Problemen zu kämpfen.
- Es kommt zu Mobbing, heimlichen Fotos und Körperscham.
- Immer weniger Kinder und Jugendlichen wollen sich gemeinsam umziehen – oder duschen.
An den Schweizer Schulen ist sie zu einem Problemherd geworden: die Umkleidekabine.
Das ergibt eine Studie von Sportwissenschaftler Gregory Quin von der Universität Lausanne, für die 458 Sportlehrpersonen befragt wurden.
Sie zeigt auf: 39 Prozent der Lehrpersonen bekunden «manchmal bis immer» Probleme mit Konflikte in den Garderoben. Bei 29 Prozent sind es Probleme mit Mobbing.
Kommen schon in Sportsachen in die Schule
Das hat auch einen Einfluss auf die Schülerinnen und Schüler. Denn: Immer weniger Kinder und Jugendliche wollen sich für den Sportunterricht umziehen, berichtet die «NZZ».
Dort erzählt ein Lehrer, immer mehr Mädchen kommen an Tagen, wo Sportunterricht herrscht, in Trainerhosen in die Schule. Dies, damit sie sich nicht umziehen müssen.
Ein Grund dafür sind Handys, die in drei Vierteln der befragten Schulen in die Garderoben mitgenommen werden dürfen. Und dort offenbar auch benutzt werden.
Angst vor Fotos beim Umziehen
So berichtet eine Lehrperson: «Zwei Schülerinnen sollen eine Kollegin heimlich beim Umziehen fotografiert haben.»
Das habe dazu geführt, dass sich andere nicht mehr ausziehen wollen würden. Aus Angst, dass ihnen das Gleiche passiere.
Dass es zu einem solchen Vorfall gekommen ist, kam ausserdem nur aus, weil sich einige Mädchen einer Lehrerin anvertrauten.
«Es gibt immer mehr Probleme in den Garderoben»
Thomas Minder, Präsident des Schweizer Schulleiterverbands, bestätigt gegenüber der «NZZ»: «Es kommt immer wieder vor, dass Schülerinnen oder Schüler in einer Umkleide Aufnahmen mit dem Handy machen.»

Solche Fälle habe er auch selbst schon erlebt. Und zwar bei Sechstklässlern, also Primarschülern. Er findet: «Das Problem muss man ernst nehmen.»
Und auch Jonathan Badan, Co-Präsident des Schweizerischen Verbands für Sport in der Schule, sagt: «Es gibt immer mehr Probleme in den Garderoben.»
Duschen nur in Unterwäsche
Er stellt zudem fest, dass die Körperscham bei Schülerinnen und Schülern zugenommen hat. Gestützt wird diese Beobachtung von der Studie der Universität Lausanne.
Dort bestätigen die Lehrpersonen, dass 69 Prozent der Schülerinnen und Schüler sich beim Duschen schämen würden. Wenn es ums Umziehen gehe, seien es 35 Prozent.
Auch die Sexualpädagogin und ehemalige Lehrerin Claudia Mollet kennt die Thematik: «Ich habe schon mehrmals von Jugendlichen gehört: Wenn ich in der Schule duschen muss, dann mache ich das nur in der Unterwäsche.»
«Die Angst vor dem Vergleich ist gestiegen»
Nebst möglichen unbemerkt geschossenen Fotos und Mobbing nennt sie Social Media als Grund für die wachsende Körperscham. «Auf allen Kanälen wird den Kindern und Jugendlichen ein Schönheitsideal vermittelt, das realitätsfremd ist.»
Das führe zu wachsenden Ansprüchen gegenüber anderen. Aber auch sich selbst gegenüber.