Brian K.* wurde von seinen Ärzten 2011 über Tage festgebunden. Die drei Ärzte standen heute vor Gericht und wurden freigesprochen.
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Brian alias «Carlos» steht heute Mittwoch wieder einmal vor Gericht. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Brian sitzt seit zwei Jahren im Zürcher Knast Pöschwies in Einzelhaft.
  • Um seinen Bedürfnissen nachzukommen, wird das Gefängnis für 1,85 Mio. umgebaut.
  • Am Mittwoch stehen drei ehemalige Ärzte wegen Freiheitsberaubung vor Gericht.

Am Mittwoch muss Brian K.* (24) wieder einmal vor Gericht antraben. Der junge Mann, der vor sieben Jahren schweizweit als «jugendliche Gewalttäter Carlos» Bekanntheit erlangte, ist für einmal aber nicht der Täter. Angeklagt sind drei Ärzte, die ihn 2011 als 15-Jährigen 13 Tage lang in U-Haft gefesselt hielten.

Ärzte freigesprochen

Das Bezirksgericht Zürich sprach die drei Beschuldigten aber vollumfänglich frei. Es sprach ihnen ausserdem eine Entschädigung von je 40'000 Franken zu. «Die PUK war nicht geeignet für die Behandlung von Brian», begründete der vorsitzende Richter Sebastian Aeppli den Entscheid.

Die Fixation sei in der damaligen extremen Ausnahmesituation verhältnismässig gewesen und der Freiheitsentzug ebenso rechtmässig. Der Prozess ist somit abgeschlossen.

«Carlos», die unendliche Geschichte

«Carlos» sass im Jahr 2011 in Untersuchungshaft, weil er einen anderen Jugendlichen mit einem Messer schwer verletzt hatte. Im Gefängnis versuchte er dann, sich das Leben zu nehmen, worauf er in die Psychiatrie verlegt wurde.

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Als er 15 Jahre alt war Brian alias «Carlos» von drei Psychiatern fast zwei Wochen an ein Bett gefesselt. - Screenshot/SRF

Dort stellten ihn die drei beschuldigten Ärzte, einer davon ein Vorgesetzter, mit Hilfe von Gurten und acht verschiedenen Medikamenten ruhig. Allerdings nicht nur für wenige Stunden, wie dies ethische Richtlinien vorgeben, sondern für 13 Tage.

Ab dem neunten Tag wurden einzelne Fixierungen gelöst. Der junge Straftäter durfte jeden Tag gefesselt und in Begleitung der Polizei eine Stunden spazieren gehen. Im Grundsatz sei er jedoch angebunden geblieben, in «fast absoluter Bewegungslosigkeit», schreibt der Staatsanwalt in der Anklageschrift. Für ihn ist dies klar eine Misshandlung, denn Fixierungen seien «so kurz wie möglich zu halten».

Die Anklage fordert deshalb, die drei Psychiater wegen Freiheitsberaubung und wegen Gehilfenschaft zu Freiheitsberaubung schuldig zu sprechen. Dafür sollen sie mit bedingten Freiheitsstrafen von 7 respektive 14 Monaten bestraft werden.

Brian verfolgt Prozess per Video mit

Brian selbst verfolgt den Prozess mit: Er sieht sich die Verhandlung in einem Nebenraum an, per Videoübertragung. Dafür wurde er am Mittwochmorgen von der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf nach Zürich transportiert.

Direkt im Saal konnte ihn das Gericht nicht platzieren, weil die Corona-bedingten Abstände sonst nicht eingehalten werden könnten. Er wird während des Prozesses von vier Polizisten bewacht.

Brian Carlos Zürich
Brian K. wurde zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren und 4 Monaten verurteilt. - Keystone

Der erste Psychiater, der am Mittwochmorgen befragt wurde, sagte aus, dass es «keine Alternative» zur Fixierung gegeben habe. Ins Isolierzimmer hätten sie ihn nicht bringen können, da er suizidal gewesen sei.

«Da bestand die Gefahr, dass er den Kopf an die Wand schlägt.» Sie hätten sich darum bemüht, Brian in die Psychiatrische Klinik Rheinau zu verlegen. Dort gibt es bessere Infrastruktur für suizidale Patienten. Aber dort hätte es keinen Platz gehabt. Er fühle sich deshalb unschuldig.

Fühlt sich weiterhin schikaniert

Vor gut vier Jahren wurde Brian nach einer Schlägerei verhaftet. Seit zwei Jahren sitzt er ununterbrochen in der Zürcher Justizvollzugsanstalt Pöschwis in Einzelhaft.

Dort verbringt er 23 Stunden pro Tag in seiner Zelle, am Wochenende sogar 24 Stunden. Hofgang gibt es dabei nur mit Fuss- und Handfesseln. Die Einzelhaft macht ihm laut einem Bericht des «Tages-Anzeigers» zu schaffen.

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Brian alias «Carlos» macht als renitenter Häftling und unbelehrbarer Straftäter immer wieder Schlagzeilen. - Screenshot/SRF

Die Zeitung konnte mit Brian vor seinem Gerichtstermin am Mittwoch sprechen. «Sie wollen mich brechen, aber das lasse ich nicht zu», soll er gesagt haben. «Kaum ein Mensch hält das aus», sagt sein Anwalt Thomas Häusermann.

Häusermann berichtet von verschiedenen Vorfällen zwischen den Verantwortlichen der Anstalt und seinem Klienten. Die Rede ist von Schikanen: Zu kleine Kleider, falsches Essen, heisses Duschwasser und sogar gewalttätige Übergriffe durch das Personal.

Der Anwalt von Brian verlangt deshalb eine Umplatzierung in ein anderes Gefängnis oder ein neues Sondersetting. Eine Mediation zwischen den Beteiligten hat laut «Tages-Anzeiger» nichts gebracht. Beide Seiten werfen sich mangelnde Kooperation vor.

Pöschwies baut wegen Brian um

Eine Verlegung ist jedoch gemäss dem Bericht zurzeit kein Thema. Und etwas anderes als Einzelhaft kommt für den renitenten Schläger, der in der Vergangenheit immer wieder horrende Kosten verursachte, auch nicht infrage. Forensische Experten hatten bei Brian ein «hohes Risiko für Gewalt innerhalb der Gefängnismauern» festgestellt.

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Brian alias «Carlos» sitzt in Einzelhaft in der JVA Pöschwies. - Keystone

Die Zürcher Justizdirektion will das Problem deshalb mit einem Umbau lösen: Zwei neue Zellen mit direktem, von aussen gesteuertem Hofzugang.

So soll Brian täglich eine Stunde selbstständig und ohne Kontakt zu Aufsehern spazieren gehen können. Bereits im September sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein. Kostenpunkt: 1,85 Millionen Franken.

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Diese Aufnahme von Brian alias «Carlos» stammt aus dem Jahr 2019. - Keystone

Die baulichen Anpassungen in der Pöschwies sollen das sehr angespannte Verhältnis zwischen Brian und den Aufsehern lindern. Wenn Brian nämlich heute in den Spazierhof gebracht werden muss, erscheinen sechs Aufseher mit Helm und Schutzschild.

*Name der Redaktion bekannt

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