Berner Inselspital legt Berufung ein im Rechtsstreit mit Ärztin
Berner Inselspital legt Berufung gegen Urteil ein, das eine Ärztin in einer Beförderungsdiskriminierungsklage unterstützte.

Das Berner Inselspital legt im Zivilprozess gegen eine Ärztin Berufung ein. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Inselgruppe nach der Freistellung der Ärztin verpflichtet sein soll, diese auch in Abwesenheit zu befördern. Damit wird sich als Nächstes das bernische Obergericht mit dem weitverzweigten Fall befassen. Ende Januar hatte die Ärztin einen Entscheid des erstinstanzlichen Regionalgerichts Bern-Mittelland bekannt gemacht.
Sie hatte darin teilweise Recht erhalten. Demnach hätte die Ärztin ab Mitte August 2014 Anspruch auf einen höheren Anteil aus Geldern eines Honorarpools gehabt. Dass das Spital der Frau zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt hatte, war laut Gericht nicht entscheidend. Es sei davon auszugehen, dass die Medizinerin alle Voraussetzungen für eine Beförderung erfüllt und damit Anspruch auf mehr Geld gehabt hätte.
Der Anwalt der Ärztin, Rolf P. Steinegger, sprach Ende Januar von einem «wegleitenden Urteil». Es reiche nicht, wenn Betriebe einfach behaupteten, sie würden Frauen fördern, es brauche eben auch entsprechende Taten.
Mit der Klage wegen Beförderungsdiskriminierung habe die Ärztin in der Schweiz juristisches Neuland betreten, würdigte die Juristin und Gleichstellungsexpertin Zita Küng das Urteil. Das Urteil sei eine Absage an eine Betriebskultur der Verschwiegenheit, wenn es um Lohn- und Beförderungsfragen gehe. Solche Entscheide dürften nicht einfach «freihändig» nach Gutdünken gefällt werden.
Spitalgruppe legt Berufung ein
«Das muss jetzt nachvollziehbar und diskriminierungsfrei gemacht werden», betonte Küng. Das Vertrauensverhältnis mit der Ärztin sei gestört gewesen, teilte die Insel-Spitalgruppe am Donnerstag mit. Es sei nicht nachvollziehbar, unverständlich und realitätsfremd, dass freigestellte Arbeitnehmende, die ein gestörtes Vertrauensverhältnis zu ihren Vorgesetzten hätten, Anspruch auf Beförderung haben sollten.
Selbst aktive Angestellte hätten keinen Anspruch auf Beförderung, hielt die Spitalgruppe in ihrer Mitteilung fest. Die Spitalgruppe legt deshalb Berufung ein und will den Entscheid durch das Obergericht prüfen lassen. Dies umso mehr, weil die Tragweite des erstinstanzlichen Entscheids gross sei und kaum abschätzbare Auswirkungen auf die gesamte Arbeitswelt haben könne, wie die Inselgruppe in ihrer Mitteilung schreibt.
Die Spitalgruppe sieht den Kern des Rechtsstreits in einem persönlichen Konflikt der Ärztin mit ihrem damaligen Vorgesetzten.
Die Ärztin wiederum sieht sich geschlechterspezifisch durch ihren Arbeitgeber diskriminiert. Die Ärztin stand vor über zehn Jahren am Anfang einer vielversprechenden Karriere. Sie arbeitete am Berner Inselspital als Oberärztin. Dabei sei sie im Vergleich mit ihren männlichen Kollegen nicht gefördert worden und sei langsamer vorangekommen, machte sie geltend.
Weitere Vorwürfe gegen das Inselspital
Nach der Geburt ihres Kindes wollte die junge Ärztin ihr Pensum reduzieren, was das Inselspital aber nicht wollte. Nach längerem Hin und Her erhielt die Ärztin im Jahr 2014 die Kündigung. Gegen diese Rachekündigung hat sie sich gestützt auf das Gleichstellungsgesetz erfolgreich auf dem Rechtsweg gewehrt. Das Spital stellte die Frau danach wieder ein, um sie gleich darauf freizustellen.
Diesen Status hat die Ärztin bis heute. Sie hat sich unterdessen an einem anderen Arbeitsort eine neue Karriere aufgebaut. Vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland hatte die Frau weitere Diskrimierungen geltend gemacht – etwa, dass sie als Frau nicht ge- und befördert worden sei.
Darum habe sie auch weniger Gelder aus dem privatärztlichen Pool erhalten. Das Inselspital wiederum liest für sich auch Positives aus dem erstinstanzlichen Urteil: So sei die Ärztin während ihrer Aktiven Tätigkeit nicht geschlechterspezifisch diskriminiert worden. Ein diesbezüglich erstelltes Gutachten habe das Gericht als «vollständig, in sich widerspruchsfrei und nachvollziehbar» taxiert.