Baselbieter Pfarrer erschwindelte Nacktfotos: Immer mehr Opfer bekannt
Ein Baselbieter Jugendpfarrer hat einen SMS-Hilfsdienst erfunden, um an Nacktbilder von Teenagern zu kommen. Jetzt stellt sich heraus: Es gibt noch mehr Opfer.

Das Wichtigste in Kürze
- Der Baselbieter Pfarrer, der Nacktbilder von Kindern einforderte, wurde nun verurteilt.
- Die reformierte Kirche Baselland äussert sich in einem offenen Brief.
- Offenbar haben sich 10 bis 15 weitere Opfer an offizielle Meldestellen gewandt.
Zwischen 2013 und 2015 beging ein Baselbieter Pfarrer Straftaten, die das Strafgericht Muttenz als sexuelle Handlungen mit Kindern einstufte.
Der heute 62-Jährige soll damals zwei 14- und 15-jährige Konfirmandinnen dazu bewegt haben, einen angeblichen SMS-Beratungsdienst zu nutzen. Dieser habe vorgegeben, Jugendliche bei Fragen zu Prävention und zum Erwachsenwerden zu unterstützen.
Tatsächlich stand der Pfarrer selbst hinter dem Angebot. Unter diesem Vorwand stellte er intime Fragen zur Sexualität, verschickte Nacktfotos und forderte solche auch von den Mädchen ein. Beide kamen dieser Aufforderung mehrfach nach.
Weitere Opfer melden sich
Der durch Medienberichte bekannt gewordene Fall führte offenbar dazu, dass sich weitere Betroffene meldeten.
Diese hätten sich anschliessend an offizielle Meldestellen gewandt, wie die Kirchenratspräsidentin Regine Kokontis nun in einem offenen Brief schreibt.
Gemäss SRF handelt es sich um zwischen 10 und 15 weitere Betroffene. Die bislang letzte Meldung sei Anfang Dezember eingegangen.
«Mutig haben junge Menschen ans Licht gebracht, was über Jahre im Dunkeln blieb», schreibt Kokontis. Man stelle sich dem grossen Leid, das durch den Vertrauensmissbrauch entstanden sei.
Derzeit gebe es eine Gruppe von «mindestens sechs Betroffenen», die miteinander im Austausch stünden. Bei Bedarf würden interne sowie externe Fachpersonen zur Unterstützung und Begleitung beigezogen.
Kirche übernimmt Kosten für Therapie
Ob die weiteren Betroffenen Anzeige erstatten, konnte Kokontis gegenüber SRF nicht sagen. Die genaue Zahl sei zudem schwer zu beziffern.
Die Meldungen seien bei verschiedenen Stellen – von kantonalen Behörden bis zur Opferhilfe – eingegangen.
Ein Teil der Betroffenen habe das Erlebte gemeinsam besprochen. In diesem Zusammenhang sei der Wunsch geäussert worden, dass sich die Kirche erneut klar öffentlich distanziere.
Die Kirche kündigte unterdessen einen neuen Verhaltenskodex an. Zudem sollen solche Fälle künftig auch intern einfacher angesprochen werden können.
Der Kirchenrat habe ausserdem Mittel für Therapiestunden bereitgestellt, sofern diese nicht von den Krankenkassen übernommen würden.
Urteil noch nicht rechtskräftig
Das Strafgericht Muttenz verhängte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Zur Urteilsverkündung erschien der Pfarrer gemäss Angaben der Verteidigung aus psychischen Gründen nicht.
Sein Anwalt hatte zuvor auf Freispruch plädiert und nach der mündlichen Urteilsverkündung Berufung angekündigt.
Bekannt wurden der Missbrauch erst, nachdem der Partner einer der betroffenen Frauen Zweifel an der Echtheit des SMS-Dienstes geäussert hatte.
***
Aufruf
Nau.ch möchte mit einer der Betroffenen reden. Wurdest du als Jugendliche ebenfalls aufgefordert, den erfundenen Hilfs-Service des Jugendpfarrers zu nutzen? Melde dich unter [email protected].
Brauchst du Hilfe?
Bist du Opfer von sexualisierter Gewalt geworden? Die Opferhilfe hilft dir dabei, die Erfahrung zu bewältigen und informiert dich über deine Rechte und weitere Schritte: www.opferhilfe-schweiz.ch.
Für Kinder und Jugendliche ist das Telefon 147 da – auch per WhatsApp und E-Mail oder unter www.147.ch.
Eltern können sich per Telefon, WhatsApp oder E-Mail an die Elternberatung wenden: www.projuventute.ch/elternberatung.










