Ausländische Investoren zocken Schweizer Patienten ab
Ausländische Investoren übernehmen Schweizer Arztpraxen – und machen Kasse mit unseren Krankenkassenprämien.

Das Wichtigste in Kürze
- Immer mehr Facharztpraxen in der Schweiz gehören internationalen Investoren.
- Kritiker warnen: Der Profitdruck gefährdet die Qualität der medizinischen Versorgung.
- In der Schweiz bleibt das Modell bisher nahezu unreguliert.
Edelholz-Schreibtische, funktionale Behandlungsräume, Personal im Akkord: Wer heute eine Arztpraxis in der Schweiz betritt, landet immer öfter in einer Filiale eines internationalen Konzerns.
Wie der «Beobachter» aufzeigt, haben sich in den letzten Jahren private Investoren zunehmend in medizinischen Versorgungszentren eingekauft.
Und bezahlt wird das alles von den Prämien der Versicherten.
Geldmaschine Medizin
Besonders betroffen sind lukrative Fachrichtungen wie Radiologie, Urologie und Augenheilkunde.
Laut Fachgesellschaft wird mittlerweile rund jede zweite Radiologiepraxis von Investoren kontrolliert. In der Augenmedizin buhlen gleich fünf Ketten mit zweistelligen Standortzahlen um Patienten – darunter Vista, Ono, Pallas, Sanoptis und Gutblick.
Hinter diesen Ketten stecken milliardenschwere Fonds aus dem Ausland: Die Augenklinik-Kette Vista gehört dem europäischen Netzwerk Veonet. Dieses wurde vom kanadischen Ontario Teachers’ Pension Plan und dem französischen PAI Partners übernommen.
Die Urologiegruppe Uroviva gehört zum europäischen Gesundheitskonzern Affidea, der mehrheitlich in Händen der belgischen Groupe Bruxelles Lambert ist.
Radiologieanbieter Unilabs? Ein Teil der dänischen A.P. Moller Holding.
Profit statt Patientenwohl
Einige Ärztinnen und Ärzte schlagen Alarm – anonym, aus Angst vor Konsequenzen.
Gegenüber dem «Beobachter» berichtet eine Augenärztin, dass sie bei einer grossen Kette «Zwei-Minuten-Medizin» betreiben musste: «Es war unwürdig. Gute Medizin, wie ich es mir vorstelle, konnte ich da nicht machen, deshalb bin ich gegangen.»
Ein anderer Arzt erzählt, wie ihm über einen Headhunter ein Chefarzt-Posten bei einer Investorengruppe angeboten wurde. Mit bis zu einer halben Million Franken Jahresgehalt plus Umsatzbeteiligung.
Sein Fazit: «Mit sorgfältiger und guter Medizin sind solche Saläre nicht zu erwirtschaften.»
Mehr Operationen, mehr Umsatz
Besonders in der Augenheilkunde scheint der finanzielle Anreiz zu unnötigen Eingriffen zu verleiten. Ein Arzt mit Brancheneinblick sagt: «Bei der Frage, ob operiert werden soll oder nicht, gibt es oft Spielraum. Der ökonomische Druck kann dazu verleiten, eine Indikation weniger strikt zu stellen.»
Konfrontiert mit solchen Aussagen, geben sich die grossen Ketten zugeknöpft. Sanoptis verweigert betriebswirtschaftliche Auskünfte.
Vista beruft sich auf eine «restriktive Medienstrategie», Pallas und Gutblick reagierten auf die Anfrage des «Beobachters» gar nicht.
Wer kontrolliert das eigentlich?
Die Fachgesellschaft für Augenheilkunde sieht sich nicht zuständig. Die Politik ist sich uneinig: SVP-Nationalrat Thomas de Courten lobt Investoren als Chance für moderne, effiziente Medizin.
Die SP-Politikerin Barbara Gysi und die Grünen-Nationalrätin Manuela Weichelt sprechen von einem gefährlichen Fehlanreiz. «Gewinnstreben hat im Gesundheitswesen keinen Platz», sagt Gysi.
Während in Deutschland bereits ein Gesetz gegen Investorenpraxen vorbereitet wurde, bleibt die Schweiz untätig. Erst 2026 soll eine vom Bundesamt für Gesundheit beauftragte Studie Resultate liefern.
Bis dahin machen ausländische Konzerne weiterhin gute Geschäfte – mit dem Geld der Prämienzahlenden.