Trotz Meldepflicht gehen bei Swissmedic kaum Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen von Medikamenten ein. Ein Experte erklärt die möglichen Ursachen.
Meldepflicht Medikamente Nebenwirkungen Meldepflichtverletzung
Eine Studie über Medikamenten-Nebenwirkungen fördert Erstaunliches zutage: Nur 5 Prozent der Hospitalisierungen und 12 Prozent der Todesfälle werden bei Swissmedic gemeldet. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Hierzulande werden jedes Jahr rund 32'000 Personen wegen Nebenwirkungen hospitalisiert.
  • Nur zwölf Prozent der Todesfälle und fünf Prozent der Hospitalisierungen werden gemeldet.
  • Ein Experte erklärt, wie es dazu kommt.
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In der Schweiz müssen jedes Jahr rund 32'000 Personen wegen Nebenwirkungen von Medikamenten hospitalisiert werden: Zu diesem Schluss kommt eine gemeinsame Studie der Universitäten Luzern und Zürich, des Universitätsspitals Zürich und des Schweizerischen Heilmittelinstituts «Swissmedic».

Im Interview mit dem «Tagesanzeiger» erklärt Studienautor Patrick Beeler, dass diese Zahl nur auf den ersten Blick hoch erscheine.

Unter dem Strich seien Medikamentennebenwirkungen nur für 2,3 Prozent aller Hospitalisierungen verantwortlich: «Angesichts der vielen Medikamente, die jeden Tag eingenommen werden, ist das sicher nicht beunruhigend.»

Litten Sie schon einmal unter Nebenwirkungen von Medikamenten?

Gemäss der Studie führen diese Nebenwirkungen jährlich zu rund 700 Todesfällen. Der Mediziner betont aber, dass auch diese Zahl mit Vorsicht zu interpretieren sei: Längst nicht alle dieser Personen seien an den Nebenwirkungen gestorben. «Häufig waren die Hospitalisierten in einem schlechten gesundheitlichen Zustand. In unseren Daten konnten wir das nicht unterscheiden.»

Tiefe Melderate bei Nebenwirkungen

Doch: Schliesslich zeigte die Studie, dass Ärztinnen und Ärzte die Nebenwirkungen kaum bei Swissmedic melden: Nur in fünf Prozent der Hospitalisierungen und zwölf Prozent der Todesfälle ging bei der Zulassungs- und Kontrollbehörde eine Meldung ein.

Auch diese Zahl müsse relativiert werden, erklärt der Studienautor. Im internationalen Vergleich stehe die Schweiz «gut» da – «in anderen Ländern liegt die Melderate bei 0,6 bis fünf Prozent.»

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In der Schweiz müssen jedes Jahr rund 32'000 Personen wegen Nebenwirkungen von Medikamenten hospitalisiert werden. (Symbolbild)
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Diese Zahl erscheine nur auf den ersten Blick hoch – unter dem Strich seien Medikamentennebenwirkungen nur für 2,3 Prozent aller Hospitalisierungen verantwortlich. (Symbolbild)
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Nur 12 Prozent der Todesfälle und 5 Prozent der Hospitalisierungen werden bei Swissmedic gemeldet – obwohl eine absolute Meldepflicht besteht. (Symbolbild)
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Aus diesem Grund müsste das medizinische Fachpersonal künftig besser über die Meldepflicht informiert werden – prinzipiell funktioniere das System aber schon recht gut. (Symbolbild)

Gemäss geltendem Recht müssten aber 100 Prozent dieser Hospitalisierungen gemeldet werden, wie Artikel 59 des Heilmittelgesetzes festhält. Zur Erklärung zieht Beeler eine Studie aus Deutschland herbei, welche die möglichen Gründe für die Nichtbeachtung der Meldepflicht untersucht hatte.

«Genannt wurden auch der hohe Aufwand einer Meldung, Datenschutzbedenken oder Angst vor juristischen Folgen. Manche bemängelten zudem fehlende Anreize. Ich denke, die Resultate sind auf die Schweiz übertragbar», so der Studienautor.

Gesundheitspersonal müsse besser informiert werden

Er gibt jedoch auch zu bedenken, dass die Nebenwirkungsmeldungen in der Schweiz recht unkompliziert abliefen: «Man muss vier Punkte eingeben: Wer meldet, wer ist betroffen, um welches Medikament geht es, und was sind die Nebenwirkungen? Das geht sehr schnell.»

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Das System der Nebenwirkungsmeldungen in der Schweiz sei unkompliziert: Wer meldet, wer ist betroffen, um welches Medikament geht es, und was sind die Nebenwirkungen? (Symbolbild) - keystone

Aus diesem Grund sei es wichtig, dass das Gesundheitspersonal ausreichend über die Meldepflicht informiert werde. Beeler erklärt, er könne sich beispielsweise nicht daran erinnern, dass die Meldepflicht während seines Medizinstudiums thematisiert wurde.

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