Leonie A.* hatte keine bösen Absichten. Sie wollte einfach etwas Löwenzahn für ihre Häsli pflücken. Doch ein Zeuge sah in ihrem Verhalten eine Straftat.
Löwenzahn für Häsli
Der gepflückte Löwenzahn kommt bei Leonie A.s* Häsli gut an. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Häsli-Besitzerin pflückt in Winterthur Löwenzahn für ihre Haustiere.
  • Dafür hält sie an einer Wiese an.
  • Ein unbekannter Mann beobachtet dies und droht, sie deswegen anzuzeigen.
  • Die Grundstücksbesitzer sehen in ihrem Verhalten allerdings kein Problem.
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«Ich wollte einfach etwas Löwenzahn für meine Häsli pflücken», sagt Leonie A.* und verzieht das Gesicht. «Bevor ich auch nur einen halben Meter in das Wildblumenfeld getreten war, schrie mich aber auf einmal ein Mann an.» Die 28-Jährige hatte auf dem Weg nach Hause kurz halt entlang der Dättnauerstrasse in Wülflingen ZH gemacht.

Sie war der Meinung, dass der Strassenrand so gut wie öffentliches Eigentum sei. Dass niemand ihr böse wäre, wenn sie hier etwas Unkraut entfernen würde.

Aber nur kurze Zeit später, sagt Leonie A., kommt ein vorbeifahrender Mann mittleren Alters neben ihr zum Stillstand. Er lässt sein Autofenster runter und beschimpft sie. Wobei ihm die Spucke aus dem Mund fliegt und seine Zunge zischt. «Darf man bei Ihnen auch einfach in den Garten marschieren?», fragt er rhetorisch.

Mit Polizeianruf und Anzeige bedroht

«Sein Gesicht war vor Wut tiefrot. Er liess mich aber auch gar nicht zu Wort kommen, um mich zu verteidigen oder zu erklären. Sondern hielt einfach einen Monolog, was mir denn einfallen würde», erzählt Leonie A. kopfschüttelnd.

Schliesslich droht ihr der Mann sogar, die Polizei zu rufen. «Er wollte mich anzeigen», führt sie aus. «Und als ich nicht sofort antwortete, sagt er: ‹Schauen Sie nicht so dumm, sagen Sie was.›»

Dättnauerstrasse in Wülflingen
Das Grundstück, das Leonie A. betreten hat, befindet sich entlang der Dättnauerstrasse in Wülflingen. Und gehört den Keller Unternehmungen.
Dättnauerstrasse in Wülflingen
Das Feld ist verpachtet, wird aber nicht an jeder Stelle bewirtschaftet.
Dättnauerstrasse in Wülflingen
Die Wildblumen, die hier wachsen, dürfen laut Keller Unternehmungen gepflückt werden.
Dättnauerstrasse in Wülflingen
Somit ist Leonie A. in keiner Gefahr durch besorgte Dritte. Und kann ihren Haustieren unbekümmert eine Handvoll Löwenzahn mitbringen.

Die Ironie der Geschichte: Die Besitzer des Grundstücks, die Keller Unternehmungen aus Pfungen ZH, haben kein Problem, wenn Leonie A. Löwenzahn auf ihrem Grundstück pflückt. «Solang kein Landschaden entsteht, sehen wir kein Problem darin», sagt Stephan Keller.

Er ist Verwaltungsratspräsident und sieht das Ganze entspannt. Wer der Nörgler war, wisse er nicht. Die Felder seien verpachtet. Die Keller Unternehmungen hätten aber keine Beschwerden über Eindringlinge oder Ähnliches erhalten.

«Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendjemandem etwas ausmachen würde, wenn Unkraut entfernt wird», lacht er.

Jede Person ist berechtigt, Anzeige zu erstatten

Allerdings hat Leonie A. Glück. Rechtlich gesehen, kann ein besorgter Dritter die Polizei informieren, wenn er von einer Straftat ausgeht, erklärt die Winterthurer Anwältin Orly Ben-Attia. Und führt aus: «Grundsätzlich ist jede Person berechtigt, Anzeige zu erstatten. Aber die Frage ist, was die Strafverfolgungsbehörden machen würden.»

Laut der Anwältin wäre in einer solchen Konstellation davon auszugehen, dass man als Erstes mit Leonie A. gesprochen hätte, um zu klären, worum es geht. Allenfalls dann noch mit dem Mann, der ihr Handeln kritisiert hat. «Dass ein Strafverfahren eröffnet worden wäre, ist aber eher unwahrscheinlich», sagt sie.

Es habe kein eindeutiges Verbrechen gegeben, wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung. Selbst wenn, dann käme nur auf Antrag des Grundbesitzers eine Busse oder Geldstrafe in Betracht. Aber eigentlich, so Joëlle Jeitler von der AXA, dürften wild wachsende Pflanzen im ortsüblichen Umfang gepflückt werden. «Die Frau könnte also ohne Weiteres eine Handvoll mitnehmen», erläutert die Mediensprecherin.

Damit fühlt sich Leonie A. bestätigt. «Ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte», sagt sie. «Und jetzt kenne ich einen sicheren, genehmigten Ort, an dem ich meinen Haustieren eine kleine Leckerei besorgen kann.»

* Name von der Redaktion geändert.

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