Gestern vor 20 Jahren hat der Orkan «Lothar» über zehn Millionen Bäume wie Dominosteine umgeworfen. 14 Menschen kamen durch den Sturm ums Leben.
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Der Orkan Lothar richtete grossen Schaden an. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Vor 20 Jahren fegte Orkan «Lothar» über die Schweiz.
  • 14 Menschen starben und es entstand ein Schaden von rund 1,35 Milliarden Franken.
  • Im Rückblick hatte laut Forstexperten auch positive Auswirkungen.

Heute vor 20 Jahren fegte der Orkan «Lothar» über die Schweiz.

Am Morgen des 26. Dezembers 1999 fegte der Orkan «Lothar» über die Schweiz. In etwas zweieinhalb Stunden von 10 Uhr bis 12.30 Uhr warf der Sturm rund 12,7 Millionen Kubikmeter Holz zu Boden.

Der gesamte Schaden wurde in den Jahren danach vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf 1,35 Milliarden Franken beziffert, 600 Millionen Franken für Bauten und 750 Millionen Franken für den Wald. Insgesamt wurden zwei Prozent der Bäume in der Schweiz umgeworfen oder umgeknickt.

Am stärksten betroffen vom Orkan, der mit Windspitzen von bis zu 272 Kilometern pro Stunde (km/h) von Nordfrankreich über Süddeutschland und die Schweiz nach Österreich zog, waren damals die Kantone Bern, Freiburg, Luzern und Nidwalden.

Wegen Orkan «Lothar»: Preiszerfall der Waldwirtschaft

Innert weniger Stunden fiel die vier- bis zehnfache Holzmenge einer Jahresproduktion an. Entsprechend gelitten haben die Waldeigentümer und die Forstwirtschaft: Vom damaligen Preiszerfall erholte sich die Waldwirtschaft nie ganz.

Orkan «Lothar» war aber nicht das einzige Grossereignis, das den Wald nachhaltig schädigte. Wenige Jahre später folgte der Hitzesommer 2003. Der trocken-heisse Sommer schwächte viele Bäume, Millionen von Borkenkäfern befielen die unter der Trockenheit leidenden Fichten und rafften sie dahin, wie die WSL schreibt.

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Borkenkäfer an der Unterseite einer Fichtenrinde. - dpa

Nach Lothar zeigten Studien der ETH Zürich und der WSL, dass eine schnelle Räumung des Sturmholzes und die frühzeitige Nutzung von stehenden, mit Käfer besiedelten Fichten weiteren Befall reduziert.

Klimawandel Gefahr für Wälder

Der Insektenspezialist Beat Wermelinger von der WSL geht davon aus, dass der Klimawandel die Wälder in den kommenden Jahrzehnten noch anfälliger für Insektenbefall machen wird als bisher.

Langfristige Untersuchungen zeigten aber auch, dass die Insektenvielfalt in den ersten Jahren nach dem Sturm deutlich zugenommen habe, mit fortschreitender Wiederbewaldung habe die Artenzahl aber auch wieder abgenommen.

Waldschäden nach Orkan "Lothar"
Ein von Orkan «Lothar» zerstörtes Waldstück in Simonswald im Schwarzwald.
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Im Engelbergertal wütete am Sonntag, 26. Dezember 1999, ein heftiger Sturm (Lothar) mit orkanartigen Winden und verwüstete Bauernhöfe und Ställe, grosse Waldflächen und Obstbaumplantagen.
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Umgeknickte Bäume an der Seepromenade in Zürich, Sonntag, 26. Dezember 1999.
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Ein Bild vom Sturm «Lothar» am Genfersee.
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Der orkanartige Sturm Lothar riss am Sonntag, 26. Dezember 1999 in Bern Teile der Kupferverkleidung des Daches der Pauluskirche weg.
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Ein Feuerwehrmann in Genf im Einsatz, nachdem «Lothar» über die Schweiz hinweggefegt war.

Dort, wo der Wald vor 20 Jahren am Boden lag, stehen heute wieder zehn bis 15 Meter hohe Jungwälder. Die Untersuchungen der WSL zeigten, dass nach dem Sturm generell Pioniergehölze wie Weiden, Birken und Vogelbeeren sowie jene Baumarten überwiegen, die vor einem Sturm dominierten.

Im Mittelland und in den Voralpen seien vor allem die Buchen nachgewachsen, in höheren Lagen die Fichten. Doch die Wälder seien artenreicher als früher. «Vieles deutet darauf hin, dass hier klimarobuste Wälder nachwachsen, mit zusätzlichen Arten wie Eiche, Kirschbaum und Spitzahorn», sagt der Forstwissenschaftler Peter Brang von der WSL.

Orkan «Lothar» könnte langfristig stabilisierend wirken

Diese Baumarten würden Trockenheit besser vertagen als Buche und Fichte. Es sei verblüffend: Katastrophal anmutende Störungen könnten in einer solchen Situationen also langfristig stabilisierend wirken. «Lothar hat gezeigt, dass Monokulturen und den Örtlichkeiten nicht angepasste Wälder auf Stürme sensibler reagieren als Mischwälder», bilanzierte der frühere Eidgenössische Forstinspektor Werner Schärer.

Und WSL-Sprecher Reinhard Lässig sagt heute im Rückblick: «Eine der Hauptlehren, die aus dem Sturm »Vivian« gezogen werden konnte, war, dass die natürliche Regeneration der Wälder sich vorteilhafter auswirkt, als man ursprünglich gedacht hat.»

schutzwald
Ein zerstörter Schutzwald im Sturmschadengebiet der Winterstürme Januar 2018. - Keystone

Auch was die Schutzwirkung der Wälder anbelangt, waren die Auswirkungen nicht nur negativ. Aufgrund von Erfahrungen und Forschungsergebnissen nach «Vivian» wusste Peter Bebi von der Schnee- und Lawinenforschung (SLF), dass umgestürzte Bäume und Wurzelteller zumindest während der ersten Jahre nach einem Sturm einen wichtigen Beitrag zum Schutz vor Steinschlag oder Erosion leisten können. «Die langfristige Wirkung war damals aber noch weitgehend unbekannt», sagt er.

Neuere Forschungsarbeiten auf Windwurfflächen hätten bestätigt, dass in Gebirgswäldern die erhöhte Rauigkeit der Berghänge aufgrund liegender Baumleichen und Wurzelteller vielfach auch langfristig gegen Lawinen und Steinschlag wirke, sagt Bebi.

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