Die Wissenschaftsforscherin Alexandra Hofmänner von der Universität Basel hat die Rolle der Wissenschaft in der politischen Bewältigung der Coronavirus-Pandemie hierzulande dokumentiert. Unter anderem kommt sie zum Schluss, dass das derzeitige System nicht ideal sei, um ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hinsichtlich wissenschaftlicher Politikberatung zu erzielen.
Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie ist derzeit die alles überragende Sorge der Schweizer Bevölkerung. (Archivbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Für die Covid-19-Task-Force der Schweiz lasse sich aber eine im Vergleich zu anderen Ländern positive Bilanz ziehen.

Als Stärken zählt Hofmänner beispielsweise die fachliche Zusammensetzung, die Einsatzstruktur, die inter- und transdisziplinären Verfahrensweisen sowie die Qualität der wissenschaftlichen Beratungsleistungen der wissenschaftlichen Task-Force auf.

Aber: Die wissenschaftlichen Politikberatungsgremien seien überall, auch in der Schweiz, bezüglich Legitimität, Transparenz und Kommunikation von Politik, Medien und Gesellschaft kritisiert worden.

Diese Kritikpunkte würden jedoch grundlegende Probleme der wissenschaftlichen Politikberatung betreffen, weil diese über formelle als auch informelle Kommunikationskanäle stattfinde. «Politische Tätigkeiten, die in liberalen demokratischen Gesellschaften über informelle Kanäle laufen, rufen naturgemäss Kritik hervor», schreibt die Wissenschaftlerin in ihrer Studie, die in der Schriftenreihe der Akademien der Wissenschaften Schweiz herausgegeben wurde.

Es sei wichtig, die historische Gelegenheit zu ergreifen und die Erfahrungen aus der Pandemie für die Herausforderungen der Zukunft zu nutzen, liess sich die Autorin in einer Mitteilung der Akademien vom Dienstag zitieren.

Anders als in Ländern wie Neuseeland, Japan oder Grossbritannien fehle in der Schweiz eine konsequente Involvierung der Wissenschaft in der Politikberatung. Im vergangenen Jahrzehnt sei die Verantwortung für wissenschaftliche Politikberatung zunehmend der öffentlichen Verwaltung übertragen worden. Das habe sich während der Pandemie für das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Covid-19-Task-Force als Belastung herausgestellt.

Zudem thematisiert die Forscherin das Fehlen eines ständigen Gremiums in der Schweiz, das ausdrücklich den gesetzlichen Auftrag hat, die Regierung bei Entscheidungen zur Finanzierung und Struktur der Wissenschaft zu beraten. «Infolgedessen wurden wichtige nationale Entscheidungen in der Bewältigung der Pandemie ohne umfassende Konsultationen getroffen, wie zum Beispiel Entscheidungen zu besonderen Förderinstrumenten und -investitionen für die Forschung, etwa im Bereich Impfstoffe oder klinische Studien», schreibt sie.

Gleichzeitig bestünden für Forscherinnen und Forscher von Hochschulen und Forschungseinrichtungen kaum Anreize, sich aktiv an der wissenschaftlichen Politikberatung zu beteiligen. Denn diese werde weder finanziell noch durch akademische Anerkennung entschädigt. «Insgesamt ist die wissenschaftliche Politikberatung traditionell nicht Teil der Wissenschaftskultur der Schweiz», so Hofmänner. Die Task Force habe aber unter Beweis gestellt, dass die Forschungsgemeinschaft motiviert und willens sei, sich in der wissenschaftlichen Politikberatung zu engagieren.

Hofmänner empfiehlt in ihrer Studie, die öffentliche Verwaltung in der Schweiz zu entlasten und die nationalen Einrichtungen, Instrumente und Mechanismen der wissenschaftlichen Politikberatung zu revidieren und zu diversifizieren.

Konkret nennt sie die Schaffung eines Beirats zur Wissenschaftspolitik, einer Sonderkommission zur wissenschaftlichen Politikberatung, eine Präzisierung der Rollen der wissenschaftlichen Institutionen sowie eine Stärkung des Stellenwerts der wissenschaftlichen Politikberatung für den akademischen Werdegang.

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