Der geplante Truppenabzug aus Afghanistan stellt den neuen US-Präsidenten Joe Biden aus Sicht eines ranghohen Vertreters des US-Aussenministeriums vor «ernsthafte Dilemmas».
In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne neue Gewalt
In Afghanistan vergeht kaum ein Tag ohne neue Gewalt - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Von Taliban geschaffenes «System der Gewalt» soll Bürger demoralisieren.

Biden hat eine Überprüfung des unter seinem Vorgänger Donald Trump ausgehandelten Friedensabkommens mit den Taliban angekündigt.

Das Ausmass der Gewalt in Afghanistan bleibe «sehr, sehr hoch», dies sei «schockierend und äusserst enttäuschend», sagte der Ministeriumsvertreter, der anonym bleiben wollte, der Nachrichtenagentur AFP. Dies schade «unzweifelhaft der Atmosphäre für jegliche Beilegung des Konflikts in Afghanistan».

Das Abkommen stellt den Abzug aller internationalen Truppen zum 30. April in Aussicht. Bedingung war, dass die islamistische Miliz die Gewalt deutlich reduziert und Al-Kaida und anderen extremistischen Organisationen keine Zuflucht gewährt. Ausserdem verpflichteten sich die Taliban zu direkten Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul.

Die Gespräche verlaufen jedoch äusserst schleppend, zudem vergeht kaum ein Tag ohne Bombenexplosion, Angriffe auf Regierungstruppen oder einen gezielten Anschlag irgendwo im Land.

Die Taliban weisen die Verantwortung für die Anschläge regelmässig zurück, und zu vielen bekennt sich auch die rivalisierende Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Aus Sicht Washingtons sind die Taliban jedoch «für die grosse Mehrheit der gezielten Tötungen» verantwortlich, sagte der Ministeriumsvertreter. Sie hätten ein «System der Gewalt» geschaffen.

«Das ist ganz eindeutig beabsichtigt, um die Bürger zu demoralisieren, um Zweifel der Bevölkerung an ihrer Regierung zu säen und eine Aura der Unvermeidbarkeit eines Sieges» der Taliban hinzuzufügen, sagte der US-Vertreter.

Wenn Washington nun entscheide, über die Frist hinaus Truppen in Afghanistan zu belassen, drohten US-Soldaten wieder unter Beschuss zu geraten - nach einem Jahr, in dem kein einziger US-Soldat in dem Land getötet wurde. Ziehe das Pentagon seine Soldaten wie geplant ab, lasse es eine schwache afghanische Regierung zurück, die den Taliban ausgeliefert sei. Ein neues Blutvergiessen in dem Land könne die internationale Gemeinschaft aber nicht ignorieren.

Die USA haben ihre Truppen in Afghanistan im vergangenen Jahr auf 2500 reduziert. Die Verteidigungsminister der Nato-Staaten werden kommende Woche darüber diskutieren, ob sie die verbliebenen 10.000 Soldaten der Unterstützungsmission für die afghanischen Sicherheitskräfte wie geplant bis Mai abziehen. Die Sicherheit der US-Truppen und der Verbündeten werde dabei «sehr, sehr hohe Priorität» haben, sagte der US-Vertreter.

Die Taliban machten sich mit ihrem Vorgehen wenig Freunde, fügte er hinzu. Sie schätzten die internationale Meinung und die Unterstützung für das Land völlig falsch ein.

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