Tropen-Schädling zieht aus der Schweiz Richtung Norden
Die Raupe des Wanderfalters Baumwollkapseleule kommt ursprünglich aus den Tropen. Nun zieht er von der Schweiz nach Deutschland weiter.

Ein Schädling aus den Tropen macht in der Schweiz der Landwirtschaft zu schaffen. Die Raupe des Wanderfalters Baumwollkapseleule (Helicoverpa armigera) frisst mehr als 100 Nutzpflanzen.
Nun breitet sich der Falter nach Norden aus. In Süddeutschland richtet seine Vorhut schon Schäden an.
Ausbreitung wird seit 2024 überwacht
Die Schweiz überwacht die Ausbreitung der Baumwollkapseleule seit 2024 mit 25 Fallen. 2023 war es durch den Raupenbefall bereits zu hohen Ertragsausfällen im Gemüsebau bis hin zum Totalausfall gekommen, wie das Bundeskompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung (Agroscope) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mitteilt.
Bis Ende Juni fanden sich in den Fallen mehr Falter als im Vorjahr, sagt Cornelia Sauer, Gemüsebauexpertin bei Agroscope. An Tomaten auf der Alpensüdseite seien schon erste Schäden der Saison gemeldet worden.
Raupen befallen Kichererbsen
In Deutschland treiben die Raupen bereits in Kichererbsen ihr Unwesen, sagt Olaf Zimmermann der deutschen Agentur dpa. Er ist Schädlingsexperte am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in Karlsruhe.
Sie seien vereinzelt schon bis Hannover und Berlin gefunden worden. «Baumwollkapseleulen sind im Ackerbau deutlich problematischer als etwa der Japankäfer», erklärt Zimmermann. «Der Käfer frisst Blätter und Früchte und geht hauptsächlich in Wein und Obst, aber die Baumwollkapseleule geht auch in Flächenkulturen wie Mais und Feldgemüse.»
Falter können Alpen überqueren
Der Falter heisst übrigens Eule, weil er wie der Raubvogel nachts unterwegs ist. «Es gibt in Deutschland noch keine Überwinterung, aber jedes Jahr Zuflüge», sagt Zimmermann. «Die Frage ist nicht, ob er kommt und bleibt, sondern wann.»
Die Falter können 1000 Kilometer weit fliegen und die Alpen überqueren. Dass die tropischen Tiere auf der Alpennordseite überwintern können, hält Sauer für unwahrscheinlich.
Verbreitungsgebiete verschieben sich
Höchstens möglich wäre das in Gewächshäusern. Durch den Klimawandel verschieben sich die Verbreitungsgebiete nach Expertenangaben wie auch bei anderen Schädlingen nach Norden.
«Man kann davon ausgehen, dass sich irgendwann eine Population an unsere klimatischen Bedingungen anpasst und wir dann vielleicht eine erste Enklave in Südbaden haben. In Ungarn überwintern sie bereits», sagt Zimmermann.
Falter verursacht hohe Ertragsausfälle
Dort hätten sie sich als Mais-Schädling dauerhaft etabliert. 2023 hatten die Falter Lavendel in Südfrankreich befallen und hohe Ertragsausfälle verursacht.
Die Schweiz hat mit dem nationalen Monitoring Falter-Zuflüge aus Süden, Westen und Osten nachgewiesen. Der Falter bewege sich nach Norden, sagt Sauer.
«Er hat jetzt auch den Kanton Zürich erreicht.» Mit den Fallen und Feldkontrollen soll eine Präsenz in einem Gebiet frühzeitig entdeckt werden, um mit gezieltem Einsatz von Insektiziden die Ernten zu retten.
Kostspielig und aufwendig
Monitoring wäre auch in Deutschland wünschenswert, meint Zimmermann. «Das gibt es aber bei uns leider nicht, weil es kostspielig und aufwendig ist. Gehandelt wird oft erst, wenn bereits grosse Schäden da sind.»
«Das Vermehrungspotenzial ist ein Problem», sagt Zimmermann. Ein Falterweibchen könne mehr als 2000 Eier legen.
Timing ist wichtig
Es gebe aber wirksame Bekämpfungsmöglichkeiten. Wichtig sei das Timing: «Die Baumwollkapseleule hat eine bohrende Raupe. Wenn sie einmal im Stängel einer Pflanze ist, kommt man nicht mehr ran. Wenn man erste Falter entdeckt, hätte man zwei bis drei Wochen zum Eingreifen. Dafür wäre das Monitoring wichtig.»
Die Raupen der Baumwollkapseleule sind polyphag, was bedeutet, dass ihnen eine Vielzahl von Nutzpflanzen von Bohnen über Erbsen, Tomaten, Peperoni oder Zuckermais bis hin zu Salaten oder Krautstiel schmeckt.
Machen das Erntegut unbrauchbar
Schon die kleinen Räupchen verursachen nicht nur Blattfrass, sondern bohren sich tief in die Pflanzen. Noch gefrässiger sind sie gemäss Agroscope in den späteren Raupenstadien.
An Gemüsen kommt es neben den Frassschäden zu Kotverschmutzungen, was das Erntegut unbrauchbar macht.