Vor zehn Jahren besiegelte die Nuklearkatastrophe von Fukushima den deutschen Atomausstieg. Umweltministerin Schulze sorgt sich, weil Nachbarländer anders agieren.
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Das Atomkraftwerk Cattenom in Frankreich. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Zehn Jahre nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Abkehr Deutschlands von der Atomenergie hervorgehoben und das Nachbarland Frankreich für seine Energiepolitik kritisiert.

Die Verlängerung der Laufzeiten für Frankreichs älteste AKW bezeichnete die SPD-Politikerin als falschen Weg. Zwar respektiere sie den Grundsatz nationaler Energiesouveränität, «doch bereitet mir die zunehmende AKW-Überalterung in Europa grosse Sorge», sagte sie der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch). Die Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), Inge Paulini, sagte dem «Tagesspiegel»: «Es wäre besser, wenn gar keine Kernkraftwerke mehr in Europa liefen, weil es ohne sie sicherer ist.»

Frankreichs Atomaufsicht hatte Ende Februar den Weg für den Weiterbetrieb von Frankreichs ältesten Atomkraftwerken geebnet. Es geht um Meiler, die hauptsächlich in den 1980er Jahren in Betrieb gingen. Sie haben teilweise bereits eine Betriebslaufzeit von 40 Jahren erreicht und sollen nun 50 Jahre laufen können.

«Fukushima war der traurige Beweis, dass Atomkraft auch in einem Hightech-Land wie Japan unbeherrschbar ist», mahnte Schulze mit Blick auf den Super-GAU vom 11. März 2011. Zum Glück gebe es heute mit den Erneuerbaren Energien billigere und ungefährlichere Alternativen. Den deutschen Atomausstieg als Konsequenz aus der Reaktorkatastrophe bezeichnete Schulze als «historischen Durchbruch in mehrfacher Hinsicht». «Zuvor hatte die Atomkraft unser Land jahrzehntelang gespalten, die Energiewende blockiert und eine tragfähige Lösung für das Atommüllproblem verhindert», sagte die Ministerin. Der Atomausstieg von 2011 habe gesellschaftlichen Frieden gebracht sowie den Weg freigemacht für Wind- und Sonnenstrom und den gemeinsamen Neustart der Endlagersuche. Bei der Lösung des Atommüllproblems sei Deutschland seitdem enorm vorangekommen und bereits weiter als viele andere Länder mit Atomkraftwerken.

BfS-Chefin Paulini sieht Deutschland als Lehre aus Fukushima besser vorbereitet. «Der Radius um Kernkraftwerke, für die Notfall-Schutzmassnahmen vorgeplant sind, wurde auf 100 Kilometer vergrössert. Wir haben ausserdem grössere Vorräte an Jodtabletten angelegt, die Bestände wurden auf 189,5 Millionen Tabletten aufgestockt», betonte Paulini. Zudem sei vor kurzem das radiologische Lagezentrum eingerichtet worden, in dem alle Akteure in einem Notfall unter Leitung des Umweltministeriums zusammenkommen.

Politiker von SPD und Grünen warnten davor, über den Wiedereinstieg in die Atomkraft nachzudenken. Solche «Renaissance»-Tendenzen beobachte er vor allem in den Reihen der Union, sagte Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir der Deutschen Presse-Agentur. «Ein Roll-Back beim Atomausstieg schadet dem Klimaschutz und dem Standort, denn er behindert den Ausbau der Erneuerbaren», warnte Özdemir. Auch SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch sagte der dpa, allen politisch Verantwortlichen müsse der Jahrestag von Fukushima eine Mahnung sein, dass «Atomkraft keine Zukunft» haben könne.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der kurz nach dem Reaktorunglück Regierungschef wurde, betonte, die Katastrophe sei ein «tiefer Schock» gewesen. Der Grünen-Politiker räumte ein, dass die Energiewende in Deutschland teuer gewesen sei und auch die Strompreise erhöht habe. Das will Kretschmann für den Fall einer Regierungsbeteiligung seiner Partei im Bund umkehren. «Wir werden sicher, wenn wir die Bundestagswahl gewinnen sollten, Modelle entwickeln, um die Strompreise weiter relevant zu senken», sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Als Stellschrauben nannte er die Abschaffung der Stromsteuer und die Senkung der EEG-Umlage.

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