Noch bis Dienstag bringen Models auf der Pariser Fashion Week Modefans aus aller Welt zum Träumen – doch so glamourös ist das echte Leben der Mannequins nicht.
Ein Model präsentiert an der Pariser Fashion Week eine Kreation aus der Off White Frühjahr/Sommerkollektion.
Ein Model präsentiert an der Pariser Fashion Week eine Kreation aus der Off White Frühjahr/Sommerkollektion. - dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Dass nicht alle Models reich und erfolgreich sind, wird in der Branche tot geschwiegen.
  • Einige Mädchen berichten jetzt von Schulden und Ausbeutung.

Hinter den Laufstegen der Pariser Fashion Week verbirgt sich eine knallharte Realität, wie Models berichten. Ausbeutung und Schulden warten auf viele der oft noch minderjährigen Mädchen. «Das Schlimmste ist: Es ist fast unmöglich, darüber zu reden», sagt die 20-jährige Clara, die in Wirklichkeit anders heisst. «Denn die Branche behauptet, für sie arbeiteten nur erfolgreiche Mädchen.» Clara läuft seit drei Jahren für Prada, Rick Owens und Comme des Garçons und ist damit fast schon ein alter Hase. Das Model hat Verträge mit Agenturen in London und Paris, denen sie tausende Euro schuldet.

Clara sei kein Einzelfall, heisst es bei dem Verein Model Law, der sich gegen prekäre Arbeitsbedingungen in der Modewelt stark macht. Alle Themen rund ums Geld seien ein Tabu sagt Mitgründerin Jekaterina Osiganowa, die als Model und Übersetzerin in Frankreich arbeitet. «Wenn du Fragen stellst, giltst du schnell als schwierig», sagt die 26-Jährige. Dringend nötig sei deshalb ein kollektiver Aufschrei nach Art von #MeToo.

3000 Euro Schulden «auf einen Schlag»

«Für meine erste Fashion Week in Paris hat das Mutterhaus meiner Agentur ein Auto und eine Wohnung gemietet, die ich mit anderen Models geteilt habe», erzählt Clara. «Erst später habe ich begriffen, dass ich alles selbst bezahlen muss. Auf einen Schlag hatte ich 3000 Euro Schulden.»

«Ein paar Monate später bin ich bei der Fashion Week in New York gelaufen», sagt die 20-Jährige weiter. «Jedes europäische Model kommt dort mit Schulden an, denn das Visum ist teuer. Ich habe in einem 'Model-Apartment' gewohnt, für 50 Dollar die Nacht in einem Zimmer, das ich mit drei anderen geteilt habe. Als die Castings angefangen haben, bin ich krank geworden und habe mehrere verpasst. Ich bin mit 8000 Euro Schulden zurückgekommen.»

Weiterarbeiten, um Schulden abzuarbeiten

Auch heute noch schulde sie ihren Agenturen Geld, sagt Clara. Das zwinge sie dazu, weiter für sie zu arbeiten, obwohl sie unter dem Strich nichts verdiene. Dennoch sei sie immer noch besser dran als andere Mannequins, «die 16 Jahre alt sind, kaum Englisch sprechen und aus schwierigen Verhältnissen kommen».

Zwei Models aus den USA, die ebenfalls anonym bleiben wollen, bestätigen Claras Angaben. Die Agenturen kassierten den Löwenanteil des Geldes von den grossen Modehäusern, klagen die 24 und 26 Jahre alten Frauen.

Beziehungen mit «wohlhabenden Männern»

Sie sei «verschuldet bis zum Hals», sagt die 24-Jährige, die für Dior, Issey Miyake oder Balmain läuft. Um an Geld zu kommen, habe sie oft Beziehungen «mit wohlhabenden Männern». Das vertrage sich nur schlecht mit ihrem Selbstbild als eigenständige Frau, sagt sie resigniert. Die 26-Jährige erzählt, oft sehe sie nach einer Modenschau kein Geld, sondern werde mit Kleidern oder Taschen «bezahlt». «Das ist für die Marken billiger», sagt sie.

«Wenn man für eine Zeitschrift Modell steht, ist eine Bezahlung die Ausnahme», betont Model-Law-Mitgründerin Osiganowa. «Ok, da ist der Ruhm, aber wie bezahlst du deine Miete?» Sie will die jungen Frauen dazu bringen, endlich über ihre Lage zu reden.

«Die Leute glauben, dass Models unheimlich viel Geld verdienen», klagt Osiganowa. «Das stimmt höchstens für zwei Prozent von ihnen.» Auch bei der Gleichberechtigung sei Fehlanzeige: Männer würden oft noch schlechter bezahlt als ihre Kolleginnen.

Ad
Ad