Russland attackiert Ukraine mit Kampfdrohnen
In weiten Teilen der Zentralukraine herrschte am späten Sonntagabend zeitweise Luftalarm. Die Luftwaffe teilte mit, dass die Drohnen in Wellen über die Gebiete Winnyzja, Kirowohrad, Tscherkassy und Chmelnyzkyj flogen. Explosionen wurden aus dem Gebiet Cherson, aber auch aus dem Umland der Hauptstadt Kiew gemeldet. Angaben zu möglichen Treffern durch die Drohnen wie zu Abschüssen durch die ukrainische Flugabwehr gab es am frühen Montagmorgen noch nicht.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte unterdessen Gespräche mit mehr als 60 Staaten über eine Friedenslösung für sein Land ein wichtiges Signal. «Ganz gleich, was in der Welt geschieht, die Hauptsache ist Einigkeit über die wirkliche Macht des Völkerrechts», kommentierte Selenskyj das Treffen in Malta. «Denn das ist Einigkeit um der Gerechtigkeit willen für die Ukraine und alle Länder und Völker, die einer Aggression ausgesetzt sein könnten», sagte er in seiner Videobotschaft in Kiew.
Die Ukraine wehrt seit mehr als 20 Monaten eine russische Invasion ab. Das ukrainische Militär zählt am Montag den 614. Tag des Krieges.
Selenskyj sieht internationale Solidarität mit der Ukraine
Über das Wochenende hatten ranghohe Vertreter aus 66 Staaten und von internationalen Organisationen in Malta über die Vorschläge beraten, die Selenskyj seine Friedensformel nennt. Dazu gehören neben der Kernforderung nach einem Abzug russischer Truppen aus der Ukraine auch die Freilassung aller Kriegsgefangenen, ein Tribunal für Kriegsverbrecher sowie Sicherheitsgarantien für das Land.
Vor Malta hat es solche Treffen in Kopenhagen und in Dschidda in Saudi-Arabien gegeben. Die Ukraine versucht dabei, über ihre westlichen Unterstützer hinaus auch Verständnis bei wichtigen Schwellen- und Entwicklungsländern zu finden. Deshalb wurde nach Angaben des Kiewer Präsidialamtes über nukleare Sicherheit, die sichere Versorgung mit Lebensmitteln und Energie gesprochen. Russland war nicht eingeladen.
Heftige Gefechte entlang der gesamten Front
An der fast 1000 Kilometer langen Front im Osten und Süden der Ukraine gingen die heftigen Gefechte weiter, wie der Generalstab in Kiew berichtete. Allein am Sonntag seien 40 russische Sturmangriffe abgewehrt worden. «Die operative Lage im Osten und Süden der Ukraine bleibt schwierig», hiess es im Abendbericht.
Ein Schwerpunkt russischer Angriffe war wie in den Tagen zuvor die Stadt Awdijiwka. Sie liegt als ukrainische Frontstadt dicht an Donezk, das von Russland kontrolliert wird und Zentrum des Industriereviers Donbass ist. Dort hätten ukrainische Truppen zehn russische Angriffe abgewehrt, hiess es.
Die russische Armee versucht aber weiter, Awdijiwka einzukreisen, und nimmt dafür hohe Verluste an Menschen und Material in Kauf. Nach Schätzungen des ukrainischen Militärs sind dort in den vergangenen Tagen 4000 russische Soldaten getötet worden. Selbst wenn Awdijiwka geräumt werden müsste, erfülle es doch die gleiche Funktion wie zuvor die Stadt Bachmut, sagte der pensionierte ukrainische Major Oleksij Hetman im Fernsehen: Die russische Armee nütze sich dort ab. Bachmut war nach monatelangen Kämpfen im Mai von Russland erobert worden.
Neun Ukrainer im besetzten Gebiet erschossen
In der von russischen Truppen besetzten Stadt Wolnowacha in der Ostukraine sind nach Behördenangaben neun Zivilisten erschossen aufgefunden worden. In den spektakulären Fall schaltete sich auch das Staatliche Ermittlungskomitee Russlands ein. Zwei der Toten seien Kinder, teilte das Komitee offiziell mit. Die Toten seien mit Schusswunden in einem Privathaus gefunden worden. Der mutmassliche Täter sei ein russischer Soldat, berichtete ein unabhängiger russischer Telegramkanal. Vier Tote seien eine Familie mit Vater, Mutter und zwei Kindern; die anderen seien Gäste im Haus gewesen.
Diese Informationen griff auch der Ombudsmann des ukrainischen Parlaments für Menschenrechte, Dmytro Lubinez, auf: Die Besatzer hätten das Leben einer ganzen Familie ausgelöscht, die einen Geburtstag feierte und ihr Wohnhaus nicht an die Besatzer abtreten wollte, schrieb er auf Telegram. Seinen Angaben nach stammte der mutmassliche Schütze aus der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Wolnowacha liegt im Gebiet Donezk und ist seit März 2022 von russischen Truppen besetzt.
Ukraine leitet ab 2025 kein russisches Gas mehr weiter
Die Ukraine wird ab 2025 kein russisches Erdgas mehr Richtung Westen durchleiten. Das sagte der Chef des staatlichen ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, Olexij Tschernyschow, in einem Interview mit dem US-Auslandssender Radio Liberty. Ende 2024 laufe der Transitvertrag mit dem russischen Konzern Gazprom aus. Die Ukraine würde auch schon früher aussteigen, zumal Gazprom für den Transit nicht wie vereinbart zahle, sagte Tschernyschow.
Schon jetzt halte die Ukraine nur am Transit fest, weil mehrere europäische Länder noch auf russisches Gas angewiesen seien. Der Konzernchef sagte, die Ukraine habe die eigene Gasförderung gesteigert. Sie habe deshalb im kommenden Winter die Chance, erstmals den Bedarf aus eigenen Reserven zu decken.
Das wird am Montag wichtig
Das ukrainische Militär rechnet damit, dass russische Truppen ihre Angriffe auf die Stadt Awdijiwka und andere Orte fortsetzen.