Neues Parlament in Sofia läutet Ende der «Ära Borissow» ein
In Bulgarien hat die Regierungspartei des Ministerpräsidenten Boiko Borissow die Wahl des Parlamentspräsidenten verloren.

Das Wichtigste in Kürze
- Obwohl seine pro-europäische konservative Partei GERB mit 26 Prozent (75 Sitze) als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl Anfang April hervorgegangen war, konnte das Anti-Borissow-Lager am Donnerstag Iwa Mitewa-Ruptschewa als Parlamentspräsidentin durchsetzen.
«Von heute an ist Bulgarien anders», sagte Maja Manolowa, die Chefin der kleinsten Protestpartei «Richte dich auf! Mafiosi raus!». Die neue Parlamentspräsidentin Mitewa-Ruptschewa ist Juristin und gehört zur zweitplatzierten populistischen und systemkritischen Partei ITN (17,6 Prozent, 51 Sitze) des Entertainers Slawi Trifonow.
Mit der Wahl Mitewa-Ruptschewas mit 163 der 240 Stimmen zeichnete sich in dem Sechs-Parteien-Parlament nun eine starke Mehrheit gegen die GERB ab. Diese reicht sogar für Änderungen der Verfassung. Damit könnte auch Generalstaatsanwalt Iwan Geschew abgelöst werden, wie der Mitvorsitzende der Protestkoalition Demokratisches Bulgarien DB (9,4 Prozent, 27 Sitze), Hristo Iwanow, andeutete.
Ministerpräsident Borissow reichte erwartungsgemäss den Rücktritt seiner bürgerlich-nationalistischen Koalitionsregierung ein, die seit 2017 regiert. Tausende Demonstranten hatten bei allabendlichen Sommerprotesten 2020 wegen Korruptionsvorwürfen gegen Borissow seinen Rücktritt sowie die Ablösung des Chefanklägers gefordert.
Staatschef Rumen Radew, der zu den Borissow-Kritikern gehört, will am kommenden Montag mit den Parteien über eine neue Regierung sprechen. Radew muss der Verfassung zufolge die stärkste Partei - Borissows GERB - mit der Regierungsbildung beauftragen. Der 61-Jährige Borissow verzichtete jetzt auf sein Regierungsamt und seinen Parlamentssitz. Sollte die GERB mit der Regierungsbildung scheitern, wäre Trifonow (ITN) am Zug. Beobachter schliessen Neuwahlen nicht aus.