Eine Demonstration, die von Islamisten in Hamburg organisiert wurde und über 1000 Teilnehmer anzog, löste in Deutschland Empörung aus.
Im Hamburger Stadtteil St. Georg protestierten am Samstag mehr als 1000 Menschen gegen eine angeblich islamfeindliche Politik und Medienkampagne in Deutschland.
Im Hamburger Stadtteil St. Georg protestierten am Samstag mehr als 1000 Menschen gegen eine angeblich islamfeindliche Politik und Medienkampagne in Deutschland. - Axel Heimken/dpa

Eine von Islamisten organisierte Demonstration mit mehr als 1000 Teilnehmern in Hamburg hat in Deutschland für Empörung gesorgt. Zugleich wurden Forderungen nach einem Verbot der Hamburger Gruppierung Muslim Interaktiv laut. Auf Plakaten standen am Samstag Slogans wie «Deutschland = Wertediktatur» oder «Kalifat ist die Lösung». Redner gaben das Kalifat ausdrücklich als Ziel für islamische Staaten aus.

Der Hamburger Polizeipräsident Falk Schnabel verteidigte am Montag dennoch die Entscheidung der Versammlungsbehörde, die Kundgebung im Stadtteil St. Georg am Samstag zuzulassen. «Unser Versammlungsrecht ist nicht nur ein hohes Gut, sondern hat auch sehr weite Grenzen, und es war die einhellige Meinung aller Juristen, dass ein Verbot sich nicht rechtfertigen lässt», sagte Schnabel im ZDF-«Morgenmagazin». Die Versammlung sei mit strengen Auflagen belegt worden.

Kalifat als Herrschaftsform

Das Kalifat als Herrschaftsform stammt aus der Zeit nach dem Tod des Propheten des Islam, Mohammed, im Jahr 632 n. Chr. Es benennt ein System, das auf dem islamischen Recht (Scharia) basiert. Der Kalif war als Stellvertreter Mohammeds sowohl religiöser als auch weltlicher Herrscher.

Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser forderte nach der Demonstration ein «hartes Einschreiten» des Staates bei derlei Veranstaltungen. Justizminister Marco Buschmann schrieb am Montag bei X (vormals Twitter): «Wem ein Kalifat lieber sein sollte als der Staat des Grundgesetzes, dem steht es frei auszuwandern.»

Muslim Interaktiv als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft

Einzelne Parolen und Transparente werde die Staatsanwaltschaft im Nachhinein auf strafrechtliche Relevanz prüfen, sagte Schnabel. «Fakt ist aber auch, dass unser Grundgesetz nun mal mit dem Blick auf die Versammlungs- und auch Meinungsfreiheit auch extremistische Meinungskundgebungen zulässt.» Hamburgs Innensenator Andy Grote sagte: «Ein solches Schaulaufen von Islamisten ist unerträglich und widert mich an.»

Der Anmelder der Kundgebung steht nach Informationen des Hamburger Verfassungsschutzes der Gruppierung Muslim Interaktiv nahe. Diese ist als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft. Sie gilt, ebenso wie die Gruppierungen Generation Islam und Realität Islam, als Ableger der Islamisten-Organisation Hizb u-Tahrir. Auch wenn in den drei Gruppierungen unterschiedliche Akteure aktiv seien, sei die ideologische Ausrichtung ähnlich, hiess es aus Sicherheitskreisen.

Slogan «Kalifat ist die Lösung»

Ein Verbot einer Versammlung sei das letzte Mittel, sagte Stefanie Grünewald, Professorin für Öffentliches Recht an der Akademie der Polizei Hamburg, der Deutschen Presse-Agentur. «Insbesondere bei der unmittelbaren Gefahr, dass im Rahmen der Versammlung schwere Straftaten begangen werden, kann ein Verbot gerechtfertigt sein. Aber dafür müssen zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots bereits konkrete Hinweise auf diese Straftaten vorliegen. Dies wird von den Gerichten auch sehr genau überprüft. Es reicht eben gerade nicht, dass nur die Vermutung besteht, dass es zu Straftaten kommen wird.»

Auf die Frage, ob Slogans wie «Kalifat ist die Lösung» strafbar seien, antworte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums am Montag in Berlin, die strafrechtliche Bewertung von Einzelfällen obliege den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten. Das Bundesverfassungsgericht habe in der Vergangenheit klargestellt, dass das Grundgesetz die Meinungsfreiheit auch den Feinden der Freiheit zugestehe, solange es sich nicht um eine «aggressiv-kämpferische Haltung» handele.

Bundestagsfraktionen fordern Vereinsverbote

Die Fraktionen im Bundestag, dem deutschen Parlament, forderten nach der Versammlung härtere Massnahmen. «Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland gefährdet, kann ausgewiesen werden», sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle der «Welt» (Montag). Wer bei einer Demonstration die Abschaffung von Grundrechten wie der Pressefreiheit fordere, erfülle diese Voraussetzung, sagte Kuhle weiter. Wenn möglich, müssten die zuständigen Behörden eine solche Ausweisung auf den Weg bringen.

Ein extremistischer Ausländer kann ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt in Deutschland die öffentliche Sicherheit und Ordnung, freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet. Bei jeder Einzelfallentscheidung muss das Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen des Betroffenen – etwa aufgrund der familiären Situation – abgewogen werden. Seit Langem fordere man bereits das Verbot von solchen Organisationen und Vereinen, die der Hizb ut-Tahrir nahestünden, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lamya Kaddor, der «Welt».

Hier sei Faeser aufgerufen, «ein Vereinsverbot so schnell wie möglich umzusetzen». Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisierte Bundesinnenministerin Faeser. «Weltweit werden viele Millionen Menschen von islamistischen Regimen brutal unterdrückt und fliehen oft genug auch davor ins freie Europa. Umso skandalöser ist es, dass in Hamburg schon wieder Hass-Demonstranten für ein Kalifat auf die Strasse gehen – trotz vollmundiger Ankündigungen von Innenministerin Faeser, dass so etwas nicht toleriert werde», sagte er der «Bild am Sonntag».

Verbot der Gruppierung führt zu Streit in der Hamburgischen Bürgerschaft

Die Hamburgische Bürgerschaft hatte es am Mittwoch mehrheitlich mit den Stimmen der SPD und Grünen gegen die Stimmen der CDU und AfD abgelehnt, ein Verbotsverfahren gegen Muslim Interaktiv anzustrengen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dennis Thering kündigte am Montag an, die CDU-Fraktion werde zu dem Thema nun eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragen.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sören Schumacher, entgegnete, die Gruppierung sei bereits fest im Blick der Verfassungsbehörden. «Dazu bedarf es keiner Anträge der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft.»

Auch Elon Musk beteiligt sich an Debatte

Mit einem Tweet zur politischen Lage in Deutschland meldete sich ausserdem Tesla-Gründer Elon Musk zu Wort. Dazu aufzurufen, die Regierung zu stürzen, sei doch sicher illegal in Deutschland, schrieb Musk auf der Plattform X zu einem vom Portal «Nius» verbreiteten Video von der Demo. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel lud Musk daraufhin in ihr Büro in den Bundestag ein.

Dort könne man über das Ereignis in Hamburg diskutieren, es handele sich um nur eine von vielen beunruhigenden Entwicklungen in Deutschland, schrieb sie auf Englisch. Der Unternehmer habe noch nicht reagiert, sagte ein Sprecher Weidels auf Nachfrage. Der Elektroautoproduzent Tesla hat in Deutschland nahe Berlin sein einziges Werk in Europa.

Der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ahmed Alattar, schrieb bei X: «Unglaublich, inakzeptabel und unverständlich, wie sich Menschen, die in Deutschland eine Heimat gefunden haben, gegen Deutschland wenden. Aber das ist typisch für politische Islamisten.»

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