Bis zu 21.000 Euro sollen die Menschen gezahlt haben, um nach Deutschland zu kommen. Die Schulden mussten sie in Nagel- oder Massagestudios abarbeiten. Zwei mutmassliche Drahtzieherinnen sind gefasst.
Bei einer grossangelegten Razzia gingen Bundespolizisten in mehreren Bundesländern gegen Schleuserkriminalität vor. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa
Bei einer grossangelegten Razzia gingen Bundespolizisten in mehreren Bundesländern gegen Schleuserkriminalität vor. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mit einer grossen Razzia in mehreren Bundesländern und der Slowakei ist die Polizei gegen eine vietnamesische Schleuserbande vorgegangen.

33 Wohnungen und andere Räume wurden seit dem frühen Montagmorgen von der Bundespolizei durchsucht, wie ein Sprecher sagte. Der Schwerpunkt des Einsatzes lag mit 16 Objekten in Berlin. Dort wurde eine der beiden Hauptverdächtigen, eine Vietnamesin, festgenommen.

In der slowakischen Hauptstadt Bratislava wurde eine weitere Frau gestellt. 700 Polizisten waren im Einsatz. Die Bundespolizei sprach von «einem grossen Schlag gegen die Schleuserorganisation und gegen die Schleuserkriminalität». Es habe sich um mehr als 100 Verdachtsfälle von eingeschleusten Menschen gehandelt.

«Es geht um das gewerbsmässige Einschleusen vietnamesischer Personen», sagte Holger Uhlitzsch, Sprecher der Bundespolizei Dresden. Die Menschen seien von Vietnam aus über konspirative Wohnungen in der Slowakei nach Europa eingeschleust und dann in verschiedene Teile Deutschlands und andere europäische Staaten verteilt worden. Die beiden Frauen sollen dabei Drahtzieherinnen «der organisierten Schleuserkriminalität und des Menschenhandels» sein.

Es seien «Schleuserlöhne» von 13.000 bis 21.000 Euro verlangt worden. «Da die Personen dieses Geld nicht unmittelbar aufbringen konnten, sind sie gezwungen worden, den Schleuserlohn abzuarbeiten», so der Sprecher. Vor allem Frauen müssten in Nagelstudios, Massagestudios und «extra eingerichteten Bordellwohnungen» arbeiten.

Der Einsatz der Bundespolizeiinspektion für Kriminalitätsbekämpfung in Halle erfolgte nach Angaben des Sprechers im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin und der Staatsanwaltschaft Leipzig. Eingebettet sei dies in Ermittlungen von Europol, der Polizeibehörde der Europäischen Union.

Um 6.00 Uhr begannen die Durchsuchungen in Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie in der Slowakei. Umfangreiche Beweise seien sichergestellt worden, sagte der Sprecher. «Vor allem Speichermedien, Dokumente, Unterlagen und Bankverbindungen.»

In den Wohnungen habe die Bundespolizei knapp 50 Menschen angetroffen. «Wir müssen jetzt klären, sind diese Personen auch unerlaubt eingereist oder eingeschleust worden. Oder handelt es sich auch um Unterstützer dieser menschenverachtenden Schleusungen und des Menschenhandels», sagte Uhlitzsch.

Am Mittag wurden je ein asiatisches Restaurant und anliegende Wohnungen in Leipzig und Halle durchsucht. Dabei wurden nach Angaben eines Sprechers der Bundespolizei 16 Menschen angetroffen, die sich illegal in Deutschland aufhalten dürften. Diese sollen für geringen Lohn, deutlich unter Mindestlohn, in den Restaurants gearbeitet haben. «Nach der Feststellung der Identität der 16 Menschen werden sie an die Ausländerbehörden übergeben», betonte der Sprecher.

Von besonderer Bedeutung sei dabei der Opferschutz der eingeschleusten und zum Teil hilflosen Menschen. Es werde geprüft, ob eine besondere Schutzbedürftigkeit vorliege, so Uhlitzsch. «Da gehen wir sehr sensibel vor. Und haben auch entsprechend Beamte, die geschult sind.»

Die verdächtige Frau in Berlin wurde in einer Wohnung in einem Hochhaus im Bezirk Lichtenberg gefasst. Berlin gilt als eines der Zentren in Europa für Einschleusungen aus Vietnam. Immer wieder gibt es Razzien. Das Bundeskriminalamt (BKA) sprach von einem «Dreh- und Angelpunkt» vietnamesischer Menschenhändler in Westeuropa. Dahinter stehe «ein riesiges Netzwerk», das «gewaltige Summen» umsetze.

Die Hauptanlaufstelle ist laut Polizei ein riesiger Asiamarkt in Berlin-Lichtenberg. Das Zentrum mit etwa 350 Geschäften in grossen Hallen sowie die Umgebung spielten wegen Lage, Infrastruktur und logistischer Möglichkeiten immer wieder eine Rolle bei diesen Schleusungsverfahren, hiess es vom Senat.

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