Messerattacke am Berliner Holocaust-Mahnmal: Angeklagter schweigt
Neun Monate nach der Messerattacke auf einen Besucher des Holocaust-Mahnmals in Berlin steht der mutmassliche Attentäter vor Gericht.

Der 19 Jahre alte Syrer will zunächst im Prozess vor dem Kammergericht Berlin schweigen. Er habe seinem Mandanten dazu geraten, erklärte Verteidiger Daniel Sprafke.
Deutschlands oberste Anklagebehörde, die Bundesanwaltschaft, geht von einer radikal-islamistisch und antisemitisch motivierten Tat aus. Sie wirft dem 19-Jährigen versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und versuchte Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor.
Am 21. Februar soll der Angeklagte aus dem östlichen Bundesland Sachsen in die deutsche Hauptstadt gefahren sein, um im Namen des «Islamischen Staats» (IS) den Angriff zu verüben.
Wassim Al M. sei Anhänger der Ideologie der terroristischen Organisation gewesen, so Staatsanwältin Katrin Fischer bei der Verlesung der Anklage. Wegen dieser Gesinnung und «angetrieben durch die Eskalation des Nahostkonflikts» habe er im Namen des IS einen Angriff auf einen Menschen begehen und «dadurch einen Repräsentanten der von ihm abgelehnten freiheitlichen Gesellschaft» töten wollen.
Kurz vor der Tat habe der 19-Jährige über einen Messengerdienst ein Foto von sich an Mitglieder des IS übersandt und sich als Mitglied angedient.
Tatwaffe im Internet beschafft
Laut Anklage wählte der 19-Jährige das Holocaust-Mahnmal als Tatort, weil er davon ausging, dort «mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Menschen jüdischen Glaubens» zu treffen. Die Tatwaffe – ein Messer mit einer 16 Zentimeter langen Klinge – soll er sich im Internet beschafft haben.
Im Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals, das an die Ermordung von sechs Millionen Juden unter der Herrschaft der Nationalsozialisten erinnert, griff er dann laut Anklage einen spanischen Berlin-Besucher von hinten an. Dabei habe der 19-Jährige dem Opfer einen 14 Zentimeter langen Schnitt an der Kehle zugefügt.
Ausserdem erlitt der inzwischen 31 Jahre alte Mann eine mehr als sechs Zentimeter lange Stichverletzungen im Gesicht und eine weitere am Finger. Nach der Tat soll der Angeklagte «Allahu Akbar» (auf Deutsch etwa «Gott ist gross») gerufen haben.
Das Opfer hatte die Gedenkstätte an jenem 21. Februar mit Freunden besucht, wie sein Anwalt Sebastian Sevenich am Rande des Prozesses erklärte. Der Ernährungswissenschaftler aus dem Baskenland tritt im Prozess als Nebenkläger auf und wird vor Gericht als Zeuge aussagen. Dies ist für den 3. Dezember geplant, wie sein Anwalt erklärte.
Der 31-Jährige ist nach Angaben von Sevenich bis heute wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht arbeitsfähig. Zudem leide er infolge der Stichverletzungen an Nervenschäden. «Die Konfrontation mit dem Verfahren ist natürlich Stress für ihn», sagte der Anwalt. Sein Mandant wolle sich dem aber stellen.
Festnahme wenige Stunden nach der Tat
Laut Anklage konnte der Spanier nur durch das schnelle Eingreifen von Rettungskräften und eine Notoperation gerettet werden. Der Mann sei für einige Zeit in ein künstliches Koma versetzt worden, so die Behörden.
Der Angeklagte wurde wenige Stunden nach der Tat im Umfeld der Gedenkstätte festgenommen. Nach Behördenangaben lief er am 21. Februar gegen 20.45 Uhr während der noch laufenden Ermittlungsarbeiten auf Polizisten zu. Diese bemerkten seine blutverschmierten Hände und Blut auf seiner Hose, wie es damals hiess.
In seinem Rucksack fanden Polizisten neben der mutmasslichen Tatwaffe unter anderem auch einen Koran, wie es damals hiess. Der junge Mann wurde festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.
Nach Behördenangaben kam Al M. 2023 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling – also ohne seine Eltern – nach Deutschland. Er soll kurz nach seinem 17. Geburtstag aus Syrien über die Türkei nach Deutschland geflohen sein. Dort erhielt er eine befristete Aufenthaltsgenehmigung und wohnte in Leipzig in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Da der Angeklagte zur Tatzeit mit 19 Jahren Heranwachsender war, muss das Gericht entscheiden, ob er nach Erwachsenenstrafrecht oder Jugendstrafrecht zu verurteilen ist. Im Fall einer Jugendstrafe läge die Höchststrafe bei 15 Jahren, wenn das Gericht von einem besonders schweren Fall ausginge. Beim Erwachsenenstrafrecht wäre eine lebenslange Freiheitsstrafe möglich.










