Beim Auftakt ins Wahljahr werden die Karten an der Saar neu gemischt. Am Sonntag zeigt sich, ob die SPD nach mehr als 20 Jahren der CDU die Staatskanzlei wieder abjagen kann.
Anke Rehlinger (SPD) oder Tobias Hans (CDU)? Die Wählerinnen und Wähler im Saarland müssen entscheiden.
Anke Rehlinger (SPD) oder Tobias Hans (CDU)? Die Wählerinnen und Wähler im Saarland müssen entscheiden. - Oliver Dietze/dpa

Sie geben alles im Wahlkampf. Trotz Corona. Erst musste die saarländische SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger vor knapp drei Wochen alle Termine wegen einer Corona-Infektion absagen - kurzerhand nahm ihr Team sie dann als lebensgrosse Pappfigur mit zu Terminen.

Dann infizierte sich Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Tobias Hans - und machte Wahlkampf digital per Roboter: mit «Robi-Tobi», einem Telepräsenz-Roboter, den Hans selbst steuern konnte und über den er live zugeschaltet wurde. So «rollte» er durch etliche Städte im Land, um mit den Leuten zu reden.«Reale Chance für einen Wechsel»

Es geht um viel an diesem Sonntag. Denn bei der ersten Landtagswahl nach der Bundestagswahl 2021 könnte sich der Machtwechsel wie im Bund wiederholen - und der Sieger nach langer Zeit wieder SPD heissen. Im Saarland wäre das erstmals seit fast 23 Jahren der Fall, stellt doch die CDU dort seit 1999 den Ministerpräsidenten. «Es gibt eine reale Chance für einen Wechsel», sagt der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun. «Das gibt der Wahl eine besondere Spannung.»

Im Fokus stehen Hans und Vize-Regierungschefin Rehlinger (SPD). Ein schwarz-rotes Duell also, denn beide wollen die neue Regierung anführen. Bisher haben Hans (44) und Rehlinger (45) gemeinsam in einer grossen Koalition das kleine Land regiert. Nun bläst Wirtschaftsministerin Rehlinger zum Angriff: «Ich will die neue Ministerpräsidentin werden. Das Vize muss weg.» Im Fall eines Wahlsiegs wäre sie die erste SPD-Ministerpräsidentin an der Saar.

Jüngste Umfragen geben der Rechtsanwältin Rückenwind. Ihre Partei und Person liegen klar vor der CDU und Hans, der seit März 2018 als Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer im Amt ist. Meinungsforscher sahen die SPD zuletzt bei 41 Prozent, die CDU bei 28 Prozent. Und bei der Direktwahl-Frage wünscht mehr als die Hälfte Rehlinger als Regierungschefin, Hans dagegen nur knapp ein Drittel. Das Saarland mit knapp einer Million Einwohnern wird seit 2012 von einer grossen Koalition regiert.Stimmungstest für die Ampel

Die Wahl ist aber mehr als eine Saarlandwahl. Sie gilt auch als erster grosser Stimmungstest für die rot-grün-gelbe Ampelregierung in Berlin. Und auch an der Saar könnte sich der Sprung wie im Bund von der grossen Koalition zur Ampel wiederholen. Während CDU-Chef Hans, in den vergangenen Wochen unter Druck, vor einer Ampel im Saarland warnt und die grosse Koalition fortsetzen will, hält sich Rehlinger bei dem Thema bedeckt. Sie habe «grosse Sympathien» für eine GroKo, die aber noch besser wäre, wenn sie von der SPD «von vorne» geführt werde, sagt sie.

Hans kämpft erstmals als Spitzenkandidat um seinen Posten. Er sieht sich als Überbringer schlechter Nachrichten in der Corona-Krise abgestraft. Er hofft, dass seine CDU noch auf den letzten Metern aufholen kann - und hat keinen «Plan B in der Schublade». Ob er in einer grossen Koalition auch den Juniorpartner machen würde, ist unklar. Er versucht, mit Themen mit Gesprächswert zu punkten - wie mit der Forderung nach einer Spritpreisbremse, die er auch per Handy-Video von der Tankstelle ausspielte.

Rehlinger bleibt trotz Umfragen vorsichtig. Sie freut sich über stabile gute Werte, geht aber von einem knappen Rennen aus. «Die entscheidendste aller Umfragen wird am 27. März sein, wenn die Wähler das Wort haben.» Noch tief sitzt der Schock, als sie vor fünf Jahren haushoch gegen die damalige Amtsinhaberin Kramp-Karrenbauer verlor, obwohl Umfragen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen ausgingen. Hans spricht bei Umfragen ohnehin von «Momentaufnahmen».Rehlinger bestens vernetzt

Als stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende ist Rehlinger in Berlin bestens vernetzt. Und sie betont ihre Kontakte: «Während andere an der Tankstelle in ihr Handy gebrüllt haben, habe ich mein Handy genommen und habe damit den Herrn Bundeskanzler und viele andere in Berlin angerufen», sagt sie. Bei der Bundestagswahl war die SPD an der Saar erstmals seit 16 Jahren wieder stärkste Kraft geworden.

Rückenwind für Rehlinger kommt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Rehlinger sei «die richtige Ministerpräsidentin», so Scholz. Denn sie habe in den vergangenen Jahren als Wirtschaftsministerin gezeigt, «dass sie die Probleme genau kennt und dass sie weiss, was zu tun ist, um die Zukunft für viele Arbeitsplätze hier im Saarland zu sichern», sagte er bei einem Wahlkampfauftritt in Neunkirchen.

Politikwissenschaftler Jun sagt, der «Amtsinhaber-Bonus» von Hans dürfe nicht unterschätzt werden. Aber: «Man kennt Frau Rehlinger genauso gut wie den Ministerpräsidenten. Der Amtsbonus ist kaum vorhanden.» Rehlinger ist seit zehn Jahren Landesministerin. Hans hat sich in den vergangenen Jahren als Modernisierer profiliert und Digitalisierung, Künstliche Intelligenz sowie Forschungskompetenz zu seinen Schwerpunktthemen gemacht.Erste von vier Landtagswahlen

Auf die Saarlandwahl wird vom Bund auch als Auftakt von vier Landtagswahlen in 2022 geblickt. Auch mit der Frage: Gelingt es dem neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, seiner Partei wieder Auftrieb zu verschaffen? Der gesamte CDU-Bundesvorstand reiste Anfang März ins Saarland, um Hans Rückenwind zu geben. Dieses Jahr wird noch in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gewählt.

Experte Jun hält eine grosse Koalition für «keine unwahrscheinliche Lösung, mit wem auch immer als Ministerpräsidenten». Nach Umfragen könnten an der Saar auch Rot-Grün oder Rot-Gelb möglich werden, falls die Grünen und die FDP - derzeit nicht im Landtag vertreten - den Einzug schafften. Jüngste Umfragen sehen alle kleinen Parteien (Linke, FDP, Grüne und AfD) nah an der Fünf-Prozent-Hürde. Der kürzliche, fulminante Austritt von Linken-Politiker Oskar Lafontaine aus der Partei hat den ohnehin zerstrittenen Linken noch mal geschadet - sie könnten nun draussen bleiben.

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