Heute tritt der Atomausstieg in Deutschland mit der Ausserbetriebnahme der letzten Atomkraftwerke in Kraft. Doch die Debatte um Kernkraft wird weiter anhalten.
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Das Kernkraftwerk Emsland. Nach der Abschaltung des Atomkraftwerks Emsland im niedersächsischen Lingen am 15. April rechnet Betreiber RWE mit einer 14 Jahre dauernden ersten Rückbauphase einschliesslich Nachbetrieb. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Heute gehen in Deutschland die letzten Atomkraftwerke vom Netz – trotz Energiekrise.
  • Der Tag markiert einen Erfolg für die Umweltbewegung und die Grünen in der Bundesrepublik.
  • Bürgerliche hingegen wollen die Technologie der Kernkraft nicht gänzlich aufgeben.

Mit der Ausserbetriebnahme der letzten am Netz verbleibenden Atomkraftwerke verabschiedet sich die Bundesrepublik Deutschland von der Atomenergie. Vor rund 62 Jahren nahm das erste kommerzielle Atomkraftwerk in der Bundesrepublik in Betrieb – heute ist damit Schluss.

Obwohl der Atomausstieg in Deutschland damit vollendet ist, hält die Debatte noch immer an: Freude herrscht bei den Grünen um Umweltministerin Steffi Lemke, die ihre Erleichterung über den Schritt verdeutlichen. In mehreren Städten wollen sie den Atomausstieg feiern. Anders sieht es bei der FDP aus: Diese bezeichnet den Atomausstieg in Deutschland angesichts der Energiekrise als «strategischen Fehler».

Wegen Energiekrise länger am Netz

Eigentlich hätten die Atomkraftwerke schon Ende vergangenen Jahres vom Netz gehen sollen. Das hatte die Koalition aus CDU/CSU und FDP als Reaktion auf öffentlichen Druck nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossen. Wegen des Krieges in der Ukraine entschied die Ampel-Koalition jedoch, die drei Atomkraftwerke über den Winter weiterlaufen zu lassen.

Die Abschaltung des letzten Werks wird kurz vor Mitternacht erwartet: Unklar ist, welcher der Meiler Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg der letzte wird.

Atomkraftwerke Atomausstieg in Deutschland
Aktivisten der Anti-Atom-Bewegung projizieren eine große Anti-Atom-Sonne auf den Kühlturm des Atomkraftwerkes Emsland. - keystone

Die Betreiber haben sich lange im Voraus auf den Stichtag vorbereitet. Kontinuierlich wird die Leistung der Reaktoren gesenkt. Danach wird der Generator vom Stromnetz genommen und der Reaktor komplett abgeschaltet. Kernkraftgegner wollen das Ende in mehreren Städten mit Kundgebungen begleiten.

Politische Debatte um Atomausstieg in Deutschland hält an

Obwohl der Atomausstieg in Deutschland kurz bevorsteht, ist die politische Debatte um einen Weiterbetrieb der Meiler noch nicht vorbei. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte, diese Technologie nicht völlig aufzugeben.

«Die Kernenergie muss auch nach dem Ausstieg eine Zukunft in Deutschland haben», sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Dazu gehört, dass wir die Forschung auf dem Gebiet der Kernfusion ausweiten.» Ferner müssten die Chancen neuer und sicherer Technologien der Kernspaltung genutzt werden.

Atomkraftwerke Atomausstieg in Deutschland
Das Kernkraftwerk Emsland. - keystone

Wenn es nach dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner ginge, sollten die drei Kernkraftwerke in der Reserve belassen und nicht zurückgebaut werden. «Wenn wir sie in den nächsten zwei, drei Jahren ans Netz bringen müssten, hätten wir diese Chance.» Dies sagte der Finanzminister am Freitagabend dem Fernsehsender «Welt». Doch das scheitere am Koalitionspartner Grüne.

Bürgerliche wollen Kernenergie weiterentwickeln

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sagte am Freitagabend im Interview der ARD-«Tagesthemen», er glaube an eine Neuauflage der Kernenergie. «Wir spüren diese grosse Energiekrise, wir brauchen jedes Fitzelchen Energie», sagte der CSU-Politiker. Die ARD sendete die «Tagesthemen» live vom Gelände des Kernkraftwerks Isar 2 in Niederbayern. In der 45-minütigen Sonderausgabe berichtete Moderator Ingo Zamperoni von seinem exklusiven Besuch in der Anlage.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein forderte mehr Forschung an neuen Technologien. «Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise zeigen uns, dass wir uns breit aufstellen müssen. Wir müssen besonders angesichts des Atomausstiegs technologieoffen Forschung fördern. Nicht nur aussteigen, sondern auch mal einsteigen», sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Grüne verhindern weiteren Betrieb der Atomkraftwerke

Erleichtert blickt dagegen Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf den anstehenden Atomausstieg in Deutschland. «Der Atomausstieg macht Deutschland sicherer», sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. «Die Risiken der Atomkraft sind im Falle eines Unfalles letztlich unbeherrschbar.»

Atomkraftwerke Atomausstieg in Deutschland
Umweltbewegungen feiern den Atomausstieg in Deutschland vor einem der letzten Atomkraftwerke in Emsland. - keystone

Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: Bei einem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bestehe die Gefahr, sich in eine erneute Abhängigkeit von Russland zu begeben. Die FDP müsse die Frage beantworten, ob sie «das Uran dann wieder aus Russland holen» wolle. «Wir haben uns gerade beim Gas aus der Abhängigkeit befreit. Dieses Geschäft möchte ich Putin nicht gönnen», sagte Trittin.

Wie stehen Sie zur Atomkraft?

Mit der Abschaltung der drei Meiler fängt die eigentliche Arbeit am Atomausstieg in Deutschland erst an. «Wir haben etwa drei Generationen lang Atomkraft genutzt und dabei Abfälle produziert, die noch für 30'000 Generationen gefährlich bleiben. Diese Verantwortung übergeben wir an unsere Enkel, Urenkel und noch viele weitere Generationen», sagte Lemke. Insgesamt müssen noch mehr als 30 Meiler in Deutschland zurückgebaut werden.

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