Deutschland: Merz wegen «Stadtbild»-Äusserung weiter unter Druck

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Deutschland,

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz sieht sich weiterhin heftiger Kritik wegen seiner Äusserungen zum «Stadtbild» und zur Migration ausgesetzt.

Friedrich Merz
Friedrich Merz erntet weiterhin starke Kritik für seine Aussagen über Migration und das Stadtbild. (Archivbild) - keystone

Dem deutschen Kanzler Friedrich Merz schlägt wegen seiner Bemerkungen über das «Stadtbild» und die Migration weiter geballte Kritik entgegen.

Aus der sozialdemokratischen SPD – der Koalitionspartnerin der christdemokratischen Union (CDU und CSU) von Merz – kommt der Vorwurf, damit sozialen Unfrieden zu stiften. Linke und Grüne hielten dem CDU-Chef Rassismus und Rhetorik im Stile der rechtspopulistischen AfD vor.

In der eigenen Partei erhielt Merz viel Zustimmung, es gibt aber auch kritische Stimmen und den Wunsch nach Klarstellung. Gestern Abend machten vor der CDU-Zentrale in Berlin Tausende Menschen ihrem Unmut gegen Merz Luft.

Merz hatte vergangene Woche auf einer Pressekonferenz in Potsdam auf die Frage zum Erstarken der AfD – die die zweitstärkste Fraktion im Bundestag, dem deutschen Parlament, stellt – unter anderem gesagt, man korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte. «Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr grossem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.»

Merz bleibt bei Stadtbild-Aussagen

Am Montag blieb Merz bei seiner Haltung und sagte: «Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort. Ich habe gar nichts zurückzunehmen.»

Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte, die Debatte beschäftige Bürger mit und ohne Migrationshintergrund. «Die sehen ja, was los ist auf den Strassen. Wir haben ganze Stadtteile, da sieht man nur noch Männer, kaum Frauen, wenn, dann mit Kopftuch oder verschleiert. Wir haben Strassenzüge, wo Juden sich nicht trauen, Kippa oder Davidstern zu zeigen. Das hat was verändert», sagte Spahn in der RTL/ntv-Sendung «Frühstart».

Es gäbe zudem Viertel, «in denen Schwule und Lesben sich nicht mehr zeigen, wie sie sind, wen sie lieben, aus Angst davor, angefeindet zu werden.» Spahn sagte, es gebe auch Bahnhöfe und Marktplätze, an denen «junge Männer oft ausreisepflichtig rumlungern, die Leute anmachen, Frauen ansprechen».

Ex-Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hält die «Stadtbild»-Aussage für «zu nebulös». Die Unklarheit dessen, was Merz damit gemeint habe, könnte die AfD für sich nutzen, sagte der heutige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags in Düsseldorf. Die AfD werde bei der nächsten Bundestagswahl natürlich fragen, ob das «Stadtbild» besser geworden sei, sagte Laschet.

Laschet kritisiert Merz' Wortwahl

Merz hätte klarer formulieren können, was er gemeint habe, so Laschet. Es gehe beim Stadtbild nicht nur um Migration. Zum Stadtbild gehörten etwa auch von deutschen Süchtigen weggeworfene Drogenspritzen in Parks, Antisemiten, die Hamas-Parolen brüllten oder Rechtsradikale, die durch Strassen zögen. Auch der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, hatte sich kritisch zu Merz' Wortwahl geäussert. Viele in der Union waren dem Regierungschef aber beigesprungen.

Ganz anders Linke und Grüne. Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek warf Merz vor, er instrumentalisiere Frauen für «blanken Rassismus». «Wenn Frauen nachts allein nach Hause laufen, haben sie keine Angst vor Migranten, sie haben Angst vor Männern. Das Problem ist eine gewalttätige und grenzüberschreitende Männlichkeit», sagte Reichinnek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Der gefährlichste Ort für Frauen sei ihr eigenes Zuhause. Ginge es Merz um den Schutz von Frauen vor Gewalt, müsste er die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen sichern und in Gewaltprävention investieren, sagte Reichinnek.

Grünen-Fraktionsvize Misbah Khan kritisierte: «Merz schlägt Töne an, wie wir sie sonst von der AfD hören.» «Solche Aussagen sind eines Kanzlers unwürdig», sagte Khan der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Statt Brücken zu bauen, spalte Merz die Gesellschaft und giesse Öl ins Feuer rechter Stimmungsmache. Wie Reichinnek betonte auch die Grünen-Politikerin: «Der gefährlichste Ort für Frauen ist ihr eigenes Zuhause.» In Frauenhäusern fehlten 12'000 Plätze, dazu höre man vom Kanzler leider nichts, beklagte Khan.

SPD-Politiker Stegner wirft Merz Stimmungsmache vor

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner griff Merz ebenfalls scharf an: «Mit seinen Stadtbild-Äusserungen vergreift sich der Bundeskanzler im Ton. Er bedient eine Ausländer-raus-Stimmung, bietet keine Lösungen an und stiftet damit sozialen Unfrieden», sagte Stegner dem «Tagesspiegel». Die Äusserungen von Merz trügen auch «nicht dazu bei, die Stimmung in der Koalition zu verbessern». An der SPD-Basis seien viele «entsetzt über die Worte des Kanzlers».

Stegner betonte zugleich: «Niemand bestreitet, dass es in Städten Probleme gibt, und dass sich Menschen vor allem abends oft unsicher fühlen, wenn sie zum Beispiel auf grössere Gruppen junger Männer treffen. Diese Dinge müssen wir, auch die SPD, lösen.»

Der SPD-Aussenpolitiker Adis Ahmetovic kritisierte im Magazin «Stern»: «Diese schwammige Sprache ist gefährlich, weil sie Raum für Ressentiments öffnet – und damit die AfD und ihre Ideologie beflügelt.» Das Problem sei, dass Merz als Kanzler auch für die Koalition spreche. «Ich will das als SPD-Abgeordneter, zumal als Grossstadt-Kind, nicht einfach so stehen lassen», betonte Ahmetovic.

Er regte zugleich an, dass sich die Koalition auf einen parlamentarischen Beschluss verständigt, um die Debatte zu rationalisieren: «Wie können wir Leerstand beseitigen, für mehr Erlebnis und Kultur sowie Sicherheit und Sauberkeit sorgen?».

Türkische Gemeinde wirft Merz Polarisierung vor

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, kritisierte den Kanzler ebenfalls. «Herr Merz versucht, zu polarisieren, statt darüber zu reden, wie die Gesellschaft zu gestalten ist», sagte er dem RND. Im Stadtbild gebe es zwar immer mehr Armut, immer mehr Obdachlose und immer mehr geschlossene Läden.

Das habe aber weniger mit der Vielfalt der Städte zu tun als mit sozioökonomischen Veränderungen, für die die Regierung zuständig sei, sagte Sofuoglu. «Wir brauchen keine Nebenkriegsschauplätze.»

Am Abend demonstrierten vor der CDU-Zentrale in Berlin nach Polizeiangaben rund 2000 Menschen unter dem Motto «Feministische Kundgebung: Wir sind die Töchter». Die Veranstalter sprachen von 7500 Teilnehmern.

Mit dabei waren auch die Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge und die frühere Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. Heute soll es auch eine Demo in der norddeutschen Stadt Kiel geben, die von Fridays for Future organisiert wird.

Kommentare

User #3110 (nicht angemeldet)

Sagt man für einmal die Wahrheit, ist der Teufel los.

User #4837 (nicht angemeldet)

Dafür ist der schöne Fritz eine Augenweide und schmückt jedes Stadtbild? 💋😘

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