Fliegender Wechsel in der Deutschen Bischofskonferenz: Nach der Wahl als Nachfolger von Kardinal Marx muss sich Bischof Bätzing gleich der ersten Herausforderung stellen. Neue Grundsätze für Zahlungen an Missbrauchsopfer stossen bei Betroffenen auf Kritik.
Bischof Georg Bätzing: «Nehmen unsere institutionelle Verantwortung noch einmal deutlicher wahr.». Foto: Andreas Arnold/dpa
Bischof Georg Bätzing: «Nehmen unsere institutionelle Verantwortung noch einmal deutlicher wahr.». Foto: Andreas Arnold/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung in Mainz haben die katholischen Bischöfe in Deutschland neue Grundsätze für Zahlungen an Opfer sexueller Gewalt in der Kirche beschlossen.

«Damit nehmen wir Bischöfe unsere institutionelle Verantwortung noch einmal deutlicher wahr», sagte der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Künftig seien höhere Zahlungen als bisher möglich und es gebe ein einheitliches Verfahren für alle 27 Bistümer. Bitter enttäuscht reagierte die Betroffenenorganisation «Eckiger Tisch»: «Was für ein Versagen! Was für eine verpasste Chance!» Bätzing war am Dienstag zum Nachfolger von Kardinal Reinhard Marx gewählt und mit der Leitung der Versammlung gleich vor erste Herausforderungen gestellt worden.

«Ja, die Kluft besteht», räumte Bätzing zum Abschluss der Versammlung am Donnerstag ein. «Wir können nur darauf vertrauen, dass die Argumentationslinie insgesamt verstanden werden kann.»

Ein zentrales unabhängiges Gremium soll künftig die Höhe der Zahlungen festlegen, wie der Trierer Bischof Stephan Ackermann erläuterte. Diese sollen auf dem Niveau gerichtlicher Schmerzensgeldentscheidungen liegen, und zwar im «oberen Bereich» - die entsprechenden Tabellen reichen nach seinen Angaben bis etwa 50.000 Euro. In Einzelfällen könnten aber auch höhere Leistungen möglich sein. Die materielle Leistung sei nur eine Komponente in der Begegnung mit den Betroffenen, betonte der Trierer Bischof, der Beauftragter der Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich ist.

Bislang können Anträge für «Leistungen in Anerkennung des Leids» gestellt werden, eine Zentrale Koordinierungsstelle (ZKS) spricht dann eine Empfehlung zur Höhe der Leistung aus. Seit 2011 wurden nach Angaben der Bischofskonferenz Empfehlungen für etwas mehr als 2000 Menschen in Höhe von insgesamt 10,1 Millionen Euro ausgesprochen, also im Durchschnitt 5000 Euro.

Der Beschluss der Bischofskonferenz bleibt aber hinter den Empfehlungen einer unabhängigen Arbeitsgruppe zurück, die der Konferenz vergangenen September auf der Vollversammlung in Fulda vorgelegt worden waren. Diese sahen ein Grund-Schmerzensgeld von 10 000 Euro und zusätzlich entweder einen pauschalen Entschädigungsbetrag von 300.000 Euro oder einen gestuften Entschädigungsbetrag von 40.000 bis 400.000 Euro vor. Nach der MHG-Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche wurden von 1946 bis 2014 mindestens 3677 Minderjährige Opfer sexueller Gewalt von mindestens 1670 Klerikern.

In der Arbeitsgruppe hat auch Matthias Katsch von der Betroffenenorganisation «Eckiger Tisch» mitgewirkt. «Das ist keine Entschädigung und kein Ausgleich für die Verbrechen der Institution», sagte Katsch der Deutschen Presse-Agentur zu den neuen Grundsätzen. Die katholische Kirche dürfe nicht hinter die Einsicht zurückfallen, «dass sie als Institution schuldhaft Mitverantwortung trägt». Nun aber sei die Kirche nicht mehr bereit, «für die Folgen dieses Versagens einer Institution im Leben der Menschen einzustehen», sagte Katsch. Offenbar habe sich in den Beratungen der Bischofskonferenz der kleinste gemeinsame Nenner durchgesetzt. Der «Eckige Tisch» werde sich die Grundsätze sorgfältig anschauen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Auch die Reformbewegung «Wir sind Kirche» reagierte in einer Mitteilung enttäuscht: Solange die Bischöfe keine «glaubwürdigen Antworten auf den Missbrauchsskandal» fänden und auch zu «angemessenen Entschädigungen» bereit seien, bleibe die Kirche gelähmt.

Die Grundsätze sehen vor, dass die erste Verantwortung für Zahlungen bei den Tätern liege. Ansonsten entscheiden die jeweiligen Bistümer selbst, wie sie die Zahlungen finanzieren. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), die Vertretung der katholischen Laienverbände, hat sich entschieden dagegen gewandt, dass die Kirche ihre Ausgleichszahlungen aus den laufenden Kirchensteuereinnahmen deckt. Über eine Solidarkomponente sollen finanzschwächere Bistümer etwa in Ostdeutschland die Unterstützung reicher Diözesen erhalten. Auch will sich die Bischofskonferenz bemühen, die Ordensgemeinschaften mit in das neue System zu holen.

Bätzing bekräftigte in seiner Bilanz der Mainzer Versammlung den Synodalen Weg hin zu kirchlichen Reformen: «Wir wollen nach vorne gehen.» Der Synodale Weg wurde vor gut einem Monat gemeinsam mit den Laienverbänden im ZdK mit vier thematischen Foren gestartet, darunter das Verständnis des Priesteramts und die Rolle von Frauen in der Kirche.

«Wir werden nicht in zwei Jahren einen Weg der Öffnung ins Weihe-Amt haben», sagte Bätzing. Dies sei auch den Frauen klar, die sich dafür engagierten. Es gehe aber darum, im Prozess des Synodalen Weges bestehende Spielräume stärker aufzugreifen als bisher. Mit Blick auf Traditionalisten in den eigenen Reihen sagte Bätzing, der Synodale Weg diene auch der Evangelisierung. Denn so könnten Blockaden weggeräumt werden, die verhinderten, dass das Evangelium bei den Menschen in diesem Land ankomme.

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