Barfuss und ohne Tutu – Schläpfer entrümpelt «Schwanensee»
«Schwanensee» fernab aller Klischees: Martin Schläpfer hat das berühmteste Ballett der Welt gründlich modernisiert. Die Premiere war ein grosser Erfolg.

Das Wichtigste in Kürze
- Schläpfer unterbricht immer wieder den Fluss der Musik und lässt in der Stille tanzen.
- Er will keine Schwäne, sondern unter Gefangenschaft leidende Frauen darstellen

Nur kurz eilen Tänzerinnen in Marabufederröcken über die Bühne und bewegen die Arme flügelartig. Das ist die einzige Referenz an die Tradition. Schläpfer will keine verzauberten Schwäne auf die Bühne bringen, sondern junge Frauen, die unter ihrer Gefangenschaft leiden und die Träume haben.
Keine Tutus, kein Federschmuck im Haar, barfuss statt Spitzenschuh: der preisgekrönte Choreograf Martin Schläpfer hat das berühmteste Ballett der Welt, «Schwanensee», gründlich entrümpelt und modernisiert. Klassisches Ballett und moderner Ausdruckstanz mit waghalsigen Überstreckungen verschmelzen zu immer neuen atemberaubenden Tanzfiguren. Die Premiere des Balletts am Rhein wurde am Freitagabend minutenlang stürmisch bejubelt. Bis zur Sommerpause sind die Aufführungen schon komplett ausverkauft.
Das Tempo auf der Bühne hat nichts mehr zu tun mit den behäbigen «Schwanensee»-Inszenierungen der Sowjetzeit. Alles Nummernhafte wie die in den traditionellen Fassungen eingestreuten Nationaltänze strich Schläpfer gnadenlos heraus. Stattdessen unterbricht er immer wieder den Fluss der weltbekannten Musik und lässt in der Stille tanzen.
Schläpfer meint, dass selbst Menschen, die nie ein Ballett gesehen hätten, eine genaue Vorstellung davon hätten, wie es aussehen müsse: Wie «Schwanensee». Das wiederum liegt an der bis heute massgeblichen Petersburger Inszenierung aus dem Jahr 1895 von Marius Petipa und Lew Iwanow. «Mir war immer klar, dass ich einen anderen Weg suchen will, dieses Märchen zu erzählen, auf meine Art und Weise», sagt Schläpfer. «Ich möchte nicht das Gleiche anders machen.»