Attentate: Schweden-Gangs hetzen Teenie-Meitli auf Rivalen

Simon Binz
Simon Binz

Schweden,

In Schweden greifen kriminelle Banden zunehmend auf minderjährige Mädchen zurück, wenn es um Anschläge oder Gewaltakte geht.

Bandengewalt
In Schweden werden immer mehr Jugendliche in die Bandenkriminalität hereingezogen. (Archiv). - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Banden rekrutieren in Schweden vermehrt Mädchen für Anschläge.
  • 2024 standen 280 Jugendliche weiblichen Geschlechts unter Verdacht.
  • Experten gehen von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus.

Kriminelle Netzwerke in Schweden nutzen zunehmend auch Mädchen im Teenageralter für Brandanschläge und andere Gewalttaten. Recherchen der britischen Zeitung «The Telegraph» zeigen, dass Jugendliche bereits ab 15 Jahren für gefährliche Aufträge eingesetzt werden – in einzelnen Fällen auch mit tödlichem Ausgang.

In der Szene kursiert der Begriff «Green Women». Damit bezeichnen Banden junge Attentäterinnen, die beim Kauf oder bei der Lagerung von Chemikalien für Molotowcocktails weniger Verdacht erregen sollen.

Laut Chatnachrichten, die dem «Telegraph» vorliegen, wenden sich sogenannte «Handler» direkt über soziale Medien an die Mädchen und fordern sie zu Anschlägen auf – häufig gegen hohe Bezahlung.

Der Fall Olivia (17)

Ein dokumentierter Fall betrifft die 17-jährige Olivia. Sie erhielt den Auftrag, eine Brandbombe herzustellen und an Komplizen weiterzugeben. Videoaufnahmen zeigen, wie sie Taschen mit dem Sprengstoffgemisch, in der Szene «Napalm» genannt, überreicht. Ein Gericht verurteilte sie später wegen Beihilfe zu Brandstiftung zu einem Jahr Haft.

In einer Nachricht soll Olivia von ihrem Handler angewiesen worden sein, noch am selben Tag einen «Napalm»-Anschlag vorzubereiten. Ermittler berichten, sie habe daraufhin Benzin, Kanister und eine handelsübliche Chemikalie besorgt und daraus eine Art Brandmischung hergestellt, die sie anschliessend weitergab.

Im Anschluss schrieb Olivia mit ihrem Freund über die Tat. Auf seine Nachfrage erklärte sie lediglich: «Es ging okay.» Er antwortete mit einem Link zu einem Nachrichtenbericht über den Anschlag und einem schwedischen Slangwort, das so viel wie «heftig» bedeutet.

Zahl der Verdächtigen steigt

Laut Staatsanwaltschaft übernehmen manche Mädchen die riskanten Aufgaben, um innerhalb der von Männern dominierten Gangstrukturen Anerkennung zu gewinnen. Andere locke das schnelle Geld.

Staatsanwältin Lisa dos Santos erklärt: «Nach solchen Taten gehen sie oft shoppen.» Für einen Mordanschlag könnten bis zu 150'000 Kronen (rund 12'100 Franken) gezahlt werden.

Nach Angaben der Behörden standen 2024 insgesamt 280 Mädchen wegen mutmasslicher Beteiligung an schwerer Bandenkriminalität unter Verdacht. Experten vermuten, dass die tatsächliche Zahl höher liegt.

Die Jugendkriminalitätsexpertin Evin Cetin weist darauf hin, dass viele Mädchen beweisen wollten, «dass sie genauso hart sind wie die Jungs». Teilweise setzten sie dabei noch grössere Brutalität ein.

Zudem würden gezielt «typisch schwedisch aussehende Mädchen» rekrutiert, so Cetin. Eine blonde 16-Jährige mit Einkaufstüten werde von der Polizei kaum kontrolliert – ein Vorteil, den Banden strategisch nutzten.

Politische Diskussion entbrannt

Die Entwicklung hat auch eine politische Dimension. Ungarns Premier Viktor Orbán warf Schweden Rechtsstaats-Doppelstandards vor. Stockholm wies die Kritik zurück, kündigte aber an, das Strafmündigkeitsalter bei schweren Straftaten von 15 auf 13 Jahre abzusenken.

Kritiker bezweifeln, dass härtere Strafen allein ausreichend sind. Sie verweisen auf strukturelle Ursachen wie Armut, soziale Ausgrenzung und fehlende Integration, die Jugendliche besonders anfällig für die Rekrutierung machten.

Zwar sank die Zahl tödlicher Gewaltverbrechen in Schweden 2024 erstmals seit zehn Jahren auf 92 Fälle – 29 weniger als im Jahr zuvor. Fachleute warnen jedoch, dass Banden weiterhin über soziale Medien Nachwuchs rekrutieren und Kinder sowie Jugendliche als austauschbare Werkzeuge einsetzen.

«Solange diese Strukturen bestehen, wird sich die Spirale der Gewalt nur schwer durchbrechen lassen», heisst es in einer Einschätzung.

Weiterlesen

25 Interaktionen
Gewalt in Schweden
Schweden Polizei
12 Interaktionen
Kriminalität
Schweden Banden kriminell
4 Interaktionen
Medien

MEHR IN NEWS

Besetztes AKW
Polizei Deutschland
Polizei im Einsatz
Erfolg gegen IS
eu-gipfel
1 Interaktionen
EU in Kopenhagen

MEHR AUS SCHWEDEN

ki Spotify
Musikstreaming
Glas Nutella
18 Interaktionen
Malmö
Northvolt
An Lyten
25 Interaktionen
Laut Analyse