Anti-Borissow-Lager setzt auf Korruptionsbekämpfung in Bulgarien
Die Bulgaren waren am Sonntag aufgerufen, zum zweiten Mal innerhalb von gut 100 Tagen ein neues Parlament zu wählen. Es zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der bürgerlichen Partei GERB des Ex-Ministerpräsidenten Boiko Borissow mit der populistischen und systemkritischen «Es gibt so ein Volk» ITN des Entertainers Slawi Trifonow ab. Vom Wahlausgang hängt ab, ob eine stabile Regierung gebildet werden kann. Die Neuwahl wurde notwendig, weil sich die zerstrittenen Parteien nach der Abstimmung vom 4. April nicht auf eine Koalitionsregierung einigen konnten.

Das Wichtigste in Kürze
- Das Anti-Borissow-Lager rechnete mit Wählerstimmen für die Parteien, die sich für Korruptionsbekämpfung und Justizreform einsetzen.
Borissows frühere Koalitionsregierung geriet massiv in die Kritik, nachdem die jetzige Übergangsregierung zahlreiche Missstände, Korruptionspraktiken und Versäumnisse aufgedeckt hatte. Korruption ist für Bulgarien ein langwieriges Problem: Seit dem EU-Beitritt 2007 stand das Land deswegen unter Sonderbeobachtung aus Brüssel.
«Wir werden auf die Bildung (...) eines Kabinetts hinarbeiten, das den Willen (...) hat, die tiefe Transformation zu gestalten, die Bulgarien nötig hat», betonte der Mitvorsitzende der konservativ-liberal-grünen Koalition DB Hristo Iwanow. Staatschef Rumen Radew rief die Bevölkerung zur aktiven Beteiligung an der Wahl auf. In Sofia regiert jetzt ein von Radew eingesetztes Interims-Kabinett aus Vertretern des Anti-GERB-Lagers.
Die Bulgaren gaben jetzt erstmals ihre Stimme per Wahlautomaten ab, und nicht mehr mit Wahlzetteln. Damit sollen der illegale Stimmenkauf sowie Wahlfälschung vermieden werden. Bis zu sieben Parteien könnten in die Volksversammlung in Sofia einziehen. Die Parteien des Anti-Borissow-Lagers werfen Borissow korrupte Amtsführung vor und schliessen eine Koalition mit seiner GERB-Partei aus. Drittstärkste Partei dürften die Sozialisten (Ex-KP) werden. Die Bildung einer neuen Regierung könnte kompliziert werden.
Borissows GERB hatte die reguläre Parlamentswahl im April zwar mit gut 26 Prozent gewonnen, konnte aber keine Koalitionspartner mehr finden. Die Partei ITN erhielt 17,6 Prozent der Stimmen und wollte als zweitstärkste politische Kraft keine Minderheitsregierung bilden.