Die ersten Christen wurden verfolgt, lebten für den Glauben und waren jederzeit für den Märtyrertod bereit: So beschrieben es Kirchenväter. Dass Christen auch reisten, politische und kulinarische Interessen hatten, zeigt jetzt ein Brief aus dem 2. Jahrhundert.
Der Brief stammt aus dem frühen 3. Jahrhundert stammt aus Ägypten. Foto: Universität Basel
Der Brief stammt aus dem frühen 3. Jahrhundert stammt aus Ägypten. Foto: Universität Basel - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die ersten Christen waren nicht alle so weltabgewandt wie häufig gedacht.

Sabine Huebner, Professorin für Alte Geschichte an der Universität Basel, hat einen Papyrus aus dem frühen dritten Jahrhundert jetzt eindeutig als ältesten bekannten christlichen Privatbrief identifiziert.

Er stammt aus Ägypten. Die Forscherin kommt zu dem Schluss: «Die ersten Christen nahmen durchaus am politischen Leben teil, sie reisten und sie besassen Ländereien.»

Auch kulinarischen Freuden waren sie offenbar nicht abgeneigt: In dem Brief bittet der Absender namens Arrianus seinen reisenden Bruder, «die beste Fischsosse», die er finden kann, mitzubringen. «Fischsosse war das Maggi der damaligen Zeit», sagt die Professorin der Deutschen Presse-Agentur. Die Deutsche hat am Mittwoch ein Buch über Einblicke in den Alltag der ersten Christen veröffentlicht, die sie aus der Basler Papyrus-Sammlung mit rund 65 Schriftstücken gewann. «Diese Brüder verbanden ihren christlichen Glauben offensichtlich mühelos mit dem Alltag als Mitglied der lokalen Oberschicht», meinte Huebner.

Die Geschichte der ersten Christen müsse teils umgeschrieben werden. Bislang sei vor allem die Christenverfolgung bekannt, sagte Huebner: Christen hätten den Kaiserkult verweigert und seien wegen Verschwörung gegen den Staat angeklagt worden. Die bekannten Quellen zum frühen Christentum stammten vor allem aus der Feder von Bischöfen. «Danach stellt man sich vor, dass sich die ersten Christen nur dem Gebet widmeten, allen Reichtum aufgaben, sich für den Märtyrertod bereithielten und reihenweise vor die Löwen sprangen.»

In ihrem neuen Buch dokumentiert sie erstmals die einwandfreie Datierung des auf altgriechisch geschriebenen Briefes von Arrianus an seinen Bruder Paulus. Darin wird ein Verwandter erwähnt, der gerade in den Stadtrat gewählt worden sei. Sie habe diesen Mann in anderen Schriften gefunden und wisse daher, dass er im Jahr 239 bereits im Stadtrat sass. Deshalb müsse der Brief vorher entstanden sein.

Alltagsbeschreibungen aus der Zeit zu finden, sei äusserst schwer, sagt Sebastian Ristow vom Archäologischen Institut Köln. Das frühe Christentum ist einer seiner Forschungsschwerpunkte. Die frühen Beschreibungen der Kirchenväter seien aus deren Blickwinkel geschrieben und gäben sicher ein Bild. Er sei nicht überrascht, dass auch die ersten Christen am politischen Leben teilnahmen. «Das dürfte nicht anders gewesen sein als heute», meinte er. Manche Leute hätten sich tief religiös abgekapselt, andere nicht. «Es ist natürlich spannend, wenn man das jetzt dokumentiert findet», sagte er.

Dass der Absender Christ ist, zeige das Grusswort am Ende. «Ich bete, dass es Dir gut geht - im Herrn», schreibt Arrianus. Der Zusatz «im Herrn» beweise die christliche Gesinnung des Schreibers. Auch der Name des Angeschriebenen sei aufschlussreich. «Paulus ist ein zu dieser Zeit äusserst seltener Name und wir dürfen daraus ableiten, dass die im Brief genannten Eltern bereits Christen waren und ihren Sohn schon um 200 nach Christus nach dem Apostel benannt hatten.» Damit beweise der Brief auch, dass das Christentum zu der Zeit bereits das ägyptische Hinterland erreicht hatte, so Huebner.

Der Brief gehört zu einem Archiv mit etwa 1000 Papyri, das vor mehr als 100 Jahren in Fayum in Ägypten gefunden wurde. Daraus seien erst rund 400 Papyri editiert: «Wir wissen nicht, was in den anderen 600 steht». Es fehlten Experten, die Altgriechisch lesen, die Schrift entziffern, die Texte transkribieren, übersetzen und in den richtigen Zusammenhang einordnen könnten. Weltweit warteten noch Hunderttausende von Papyri aus dem ägyptischen Wüstensand auf ihre Entschlüsselung.

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