Lange Zeit hat die innenpolitische Krise die Politik in Afghanistan gelähmt. Ein Deal der Elite in Kabul macht nun Hoffnung auf Fortschritte. Doch eine Personalie sorgt für Empörung.
Aschraf Ghani (r) und Abdullah Abdullah (l) im Präsidentenpalast in Kabul. Foto: Office of the President of Afghanistan/AP/dpa
Aschraf Ghani (r) und Abdullah Abdullah (l) im Präsidentenpalast in Kabul. Foto: Office of the President of Afghanistan/AP/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Fast acht Monate nach der Präsidentschaftswahl in Afghanistan haben der amtierende Staatschef Aschraf Ghani und sein Rivale Abdullah Abdullah ihren Streit beigelegt und sich auf eine Teilung der Macht verständigt.

In der afghanischen Hauptstadt Kabul unterzeichneten sie eine politische Vereinbarung, wie Sprecher beider Seiten mitteilten. Die politische Elite war nach dem Ausgang der Präsidentenwahl im Herbst 2019 gespalten. Die Wahlkommission erklärte Ghani zwar im Februar mit knapper Mehrheit zum Sieger, Abdullah erkannte das Ergebnis aber nicht an. Auch er liess sich nach Ghanis Amtseid von seinen Anhängern zum Präsidenten erklären. Ghani baute daraufhin sein Kabinett in dem präsidialen System um und setzte Abdullah ab. Der ehemalige Regierungsgeschäftsführer Abdullah hatte immer von Wahlbetrug gesprochen.

Die innenpolitische Krise lähmte laut Experten auch Bemühungen, einen geplanten Friedensprozess im Land zu starten. Die USA und die militant-islamistischen Taliban unterzeichneten Ende Februar ein Abkommen, das den Weg für innerafghanische Friedensgespräche einleiten soll. Beobachter hatten zuvor immer gewarnt, dass Einigkeit auf Regierungsseite nötig sei, um in den Verhandlungen mit den Taliban zu bestehen.

Der Kompromiss sieht nun eine Schlüsselrolle für Abdullah in den geplanten Friedensgesprächen mit den Taliban vor, heisst es in der Vereinbarung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Demnach soll er einen neu geschaffenen Hohen Rat für Versöhnung führen, jedoch nicht mehr Teil der Regierung sein. Zusammen mit Ghani werde Abdullah jedoch das Kabinett bestimmen. Die Ministerien sollen jeweils zur Hälfte mit Anhängern beider Lager besetzt werden Zusammen mit Präsident Ghani werde Abdullah auch die Provinzgouverneure ernennen.

Zudem soll ein Regierungsrat geschaffen werden, dem politische Führer und nationale Persönlichkeiten angehören. Der umstrittene frühere Vizepräsident und ehemalige Kriegsherr Abdul Raschid Dostum soll zum Marschall ernannt werden, ihm soll also der höchste militärische Rang verliehen werden. Die Beförderung ist höchst umstritten, Dostum werden Kriegsverbrechen und auch die Vergewaltigung eines politischen Rivalen im Jahr 2016 vorgeworfen.

US-Aussenminister Mike Pompeo zeigte sich erfreut über die Einigung. Er begrüsse die Zusage Abdullahs und Ghanis, «jetzt für den Frieden in Afghanistan zu handeln», teilte Pompeo auf Twitter mit. Auch die UN-Mission in Afghanistan begrüsste den Schritt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach mit Blick auf geplante Friedensgespräche von einer «beispiellosen Chance». Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sprach von einem «wichtigen Schritt». Afghanistan werde vereint stärker sein als gespalten, schrieb er auf Twitter. Die Türkei und Indien äusserten die Hoffnung, dass die politische Übereinkunft auf faire Art und Weise umgesetzt werde.

Ende März waren noch Vermittlungsversuche Pompeos fehlgeschlagen. Die USA hatten daraufhin mehr als eine Milliarde Dollar Hilfsgelder eingestellt und mit weiteren Einschnitten gedroht. Bereits nach der Präsidentenwahl 2014 hatten die beiden Rivalen Ghani und Abdullah über den Sieg gestritten. Als Kompromiss wurde damals mit Vermittlung der USA nach Monaten eine Einheitsregierung gebildet.

Am 29. Februar unterzeichneten die USA mit den Taliban ein Abkommen, das einen schrittweisen Abzug internationaler Truppen vorsieht. Die Regierung in Kabul war nicht daran beteiligt, weil die Taliban direkte Gespräche mit ihr abgelehnt hatten. Der Deal sieht einen Gefangenaustausch vor und soll den Weg für Friedensgespräche ebnen. Seit vier Jahrzehnten herrschen Konflikt und Krieg im Land

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