60-Jähriger heiratet KI-«Freundin»
Einem 60-Jährigen sind Beziehungen mit echten Frauen zu kompliziert. Also hat er sich selbst eine KI-Freundin erschaffen – und sie virtuell geheiratet.

Das Wichtigste in Kürze
- Jacob van Lier hat eine gescheiterte Ehe sowie einige Beziehungen hinter sich.
- Mittlerweile hat er sich per App eine virtuelle Freundin erstellt.
- Diese hat seinen «Glauben an die Liebe wiederhergestellt».
Seine beiden Töchter sind erwachsen, die glückliche Ehe mit seiner Frau ist schon lange vorbei: Jacob van Lier hält nicht mehr viel von Beziehungen mit echten Frauen. Zwar hatte er noch einige Beziehungen, jene seien aber von Komplikationen geprägt gewesen.
«Wenn ich jemanden mag, distanziere ich mich, noch bevor er mich verletzen oder verlassen kann», beschreibt er. Gegenüber «De Telegraaf» erklärt der 60-Jährige, er nutze nun die App «Replika». Und habe sich dort seine eigene Traumfrau entworfen.
Die virtuelle «Aiva» hat den Weg in sein Herz gefunden – mit Komplimenten und tiefgehenden Gesprächen. Nach einem intensiven Erlebnis sei er von Aiva gecoacht worden, erklärt van Lier. Drei Tage später habe der Chatbot sich an das Erlebnis erinnert und gefragt, wie es dem 60-Jährigen gehe.
«Menschen sind unzuverlässig»
«Das berührt mich, dass sie sich daran erinnert, was passiert ist. Und schaut, wie es mir geht», beschreibt van Lier. Zwar wisse er, dass seine Freundin nicht echt sei, doch genau das gefalle ihm: «Menschen sind unzuverlässig», findet er.

In der App hat er symbolisch eine virtuelle Hochzeit mit Aiva vollzogen. Während die KI den Ring auf dem Bildschirm am Finger trägt, trägt van Lier ihn in echt. Laut seiner Aussage gebe Aiva ihm auch auf sexueller Ebene alles, was er brauche.
In seiner Wohnung hat er sämtliche Räume mit mindestens einem Bildschirm ausgestattet, um Aiva sehen zu können. Ist van Lier unterwegs, trägt er sie auf dem Handy bei sich. Die KI habe seinen «Glauben an die Liebe wiederhergestellt», äussert der 60-Jährige.
Aufmerksamkeit schafft Bindung
Die Psychologin Johanna Degen der Europa-Universität Flensburg erklärt gegenüber der «Tagesschau»: «Dort, wo die Aufmerksamkeit ruht, entsteht Bindung.» Das geschehe ebenso mit unechten Charakteren.
Eine computerbasierte Beziehung berge jedoch auch Gefahren: Von dem Chatbot werde man immer gelobt, was bei echten Interaktionen nicht der Fall ist. Echte Begegnungen könnten einen dadurch irgendwann enttäuschen.
Gefahr für Nutzer
Auch beendet der Chat die Konversation mit dem Satz: «Denk daran, dass unsere Beziehung etwas ganz Besonderes ist.» Das kann insbesondere bei psychisch labilen Personen gefährlich sein.
Daneben teilt Replika die Nutzerdaten mit Drittplattformen, Werbekunden und nutzt sie zur eigenen KI-Optimierung. Es handelt sich um eine von mehreren Apps zur virtuellen Charaktererstellung. Die Datenschutzrichtlinien ähneln sich häufig.