Der australische Kardinal Pell ist der ranghöchste Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde. Noch immer hofft er freizukommen. Jetzt läuft das letzte Berufungsverfahren.
Kardinal George Pell. Foto: Andy Brownbill/AP/dpa/Archivbild
Kardinal George Pell. Foto: Andy Brownbill/AP/dpa/Archivbild - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Gut ein Jahr nach seiner Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs will Kardinal George Pell vor dem höchsten australischen Gericht seinen Freispruch erreichen.
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Der High Court in Canberra befasst sich mit dem letzten möglichen Einspruch des 78-Jährigen. Am Donnerstag wurde jedoch eine Entscheidung des Gerichts auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, nachdem die Anklage zu Wort gekommen war.

Der frühere Erzbischof von Melbourne war wegen des Missbrauchs von zwei Chorknaben in den 90er Jahren zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Pell legte dagegen Rechtsmittel ein. Er weist seit jeher alle Vorwürfe zurück. Der ehemalige Finanzchef des Vatikan ist der ranghöchste Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde.

Die Berufungsverhandlung ist für zwei Tage angesetzt. Pell erschien nicht. Er sitzt in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Nähe von Melbourne. Zum Prozess am Mittwoch demonstrierten sowohl Unterstützer als auch Gegner des Kardinals vor dem Gericht. Beide Seiten gerieten kurz aneinander, als ein Mann mit dem Schild «Verbrenn in der Hölle, Pell» daran gehindert wurde, mit Reporter zu sprechen.

Für den 78-Jährigen könnte die Verhandlung die letzte Chance sein, doch noch auf freien Fuss zu kommen. Der erste Versuch, das im März 2019 gesprochene Urteil von einem Berufungsgericht aufheben zu lassen, scheiterte im August. Demnach hätte Pell frühestens im Oktober 2022 aus der Haft entlassen werden können. Nach der Entscheidung des Berufungsgerichts legten die Anwälte des Geistlichen beim obersten Gericht Einspruch ein, so dass sich dieses nun damit befasst.

Die Prozesse um die «schockierenden Anschuldigungen» hätten 22 Jahre nach den angeblichen Vorfällen stattgefunden, sagte Pells Anwalt Bret Walker in der Anhörung. Es verwies darauf, dass es nur eine Aussage gab, die als Beweis diente.

Eines von Walkers Argumenten: Nach einer Sonntagsmesse sei es unmöglich gewesen, dass ein Erzbischof fünf oder sechs Minuten in der Sakristei mit zwei Chorknaben alleine war - so soll es bei einem Übergriff gewesen sein. Bei dem anderen Fall, für den Pell verurteilt wurde, waren laut Walker keine Zeugen dabei. Die Anklage dreht zudem seiner Meinung nach die Beweislast um: Statt dass sie Pells Schuld beweist, musste die Verteidigung seine Unschuld beweisen.

Der Jura-Professor Jeremy Gans von der Universität Melbourne sagte zum ersten Tag der Verhandlung: «Es war ein recht guter Tag für Pell, weil er von hinten anfing.» Das kann man so verstehen: Der Kardinal sitzt im Gefängnis, seine Situation kann nur gleichbleiben oder sich verbessern. Gans erwartet, dass das Gericht der Rechtsbeschwerde von Pell stattgeben könnte. Aber es sei sehr wahrscheinlich, dass das Gericht seine Entscheidung nicht am Donnerstag, sondern später treffe.

Die Vorwürfe reichen in die Jahre 1996/97 zurück, als Pell gerade Erzbischof von Australiens zweitgrösster Stadt Melbourne geworden war. Einer der früheren Chorknaben starb vor einigen Jahren an einer Überdosis Rauschgift. Der andere ist heute Mitte 30 und war im Prozess der entscheidende Belastungszeuge. Er galt den Richtern als sehr glaubhaft.

Pell war ein Vertrauter von Papst Franziskus. Im November wurde sein Nachfolger im Vatikan verkündet: Der spanische Jesuit Juan Antonio Guerrero ist neuer Präfekt des Wirtschaftssekretariats. Das ist eine der wichtigsten Behörden der römischen Kurie.

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