Union fordert härteres Vorgehen gegen Rechtsextremismus
Die Bilder von Reichsflaggen vor dem Reichstag lassen bei Politikern die Alarmglocken läuten. Die Union will gegensteuern.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Union mahnt als Konsequenz aus den Vorfällen am Wochenende am Reichstagsgebäude ein konsequenteres Vorgehen gegen Rechtsextremismus an.
«Wir müssen dringend handeln. Das sind Verfassungsfeinde. Das dürfen wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wir müssen in aller Deutlichkeit demonstrieren, dass unsere Demokratie wehrhaft ist», sagte Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) der «Passauer Neuen Presse».
In Berlin hatten am Samstag Zehntausende gegen die staatlichen Corona-Massnahmen protestiert. Eine Gruppe von Demonstranten überwand dabei die Absperrgitter am Reichstagsgebäude und stürmte anschliessend die Treppen hoch. Dabei waren die auch von den sogenannten Reichsbürgern verwendeten schwarz-weiss-roten Reichsflaggen zu sehen, aber auch andere Fahnen.
Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang sagte der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag: «Rechtsextremisten und Reichsbürgern ist es gelungen, einen Resonanzraum zu besetzen, wirkmächtige Bilder zu erzeugen und so das heterogene Protestgeschehen zu instrumentalisieren.» Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) konstatierte: «Die Rechten sind dabei, die Bewegung komplett zu kapern.»
«Wir müssen Rechtsextreme und Reichsbürger mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen», sagte Frei. Dazu brauche der Verfassungsschutz «umfassendere Instrumente, insbesondere bei der Telekommunikationsüberwachung und der Beobachtung von Einzelpersonen». Das will auch der Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordern, wie aus dem Beschlussentwurf für die Klausur der Fraktionsspitze hervorgeht. «Extremisten wollen unsere freiheitliche Grundordnung beseitigen, sie schrecken vor Gewalt nicht zurück. Die volle Härte unseres Rechtsstaates wollen wir einsetzen, um sie frühzeitig zu enttarnen», heisst es in dem Papier, das der «Rhein-Neckar-Zeitung» vorliegt.
Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz wertete die Vorfälle auf der Reichstagstreppe als Beleg, «wie weit sich Verschwörungsmythen, rechtsextremes Gedankengut und demokratie- und menschenverachtende Theorien in Teilen unserer Gesellschaft festgesetzt haben». Das dürfe nicht bagatellisiert werden, sagte die CDU-Politikerin der «Rheinischen Post».
FDP-Chef Christian Lindner warnte Bürger, die aus Sorge auf die Strasse gehen, davor, sich durch Rechtsextreme Instrumentalisieren zu lassen. «Der Gedanke der Freiheit ist untrennbar verbunden mit Rechtsstaat, Demokratie und Marktwirtschaft», sagte Linder dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Die Grünen-Rechtsexpertin Katja Keul forderte im «Tagesspiegel», die sogenannten Reichsbürger intensiver zu beobachten und deren Gefahrenpotenzial zu analysieren. Allerdings seien die Voraussetzungen, auch im Hinblick auf die Organisationsstruktur, wohl nicht ausreichend für ein Verbot, meinte Keul.
Die Vorfälle vom Samstag könnten auch den Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschäftigen, der am Mittwoch nach der regulären Kabinettssitzung zum zweiten Mal zusammenkommt. Dabei sollen Vertreter der Zivilgesellschaft, insbesondere von Migrantenorganisationen, und der Wissenschaft angehört werden. Der Ausschuss war nach den rechtsextremistisch motivierten Morden in Hanau gegründet worden.
Die Stuttgarter Initiative Querdenken 711 will zunächst keine weitere grosse Demonstration gegen die Corona-Politik in Berlin organisieren. Das sagte der Organisator Michael Ballweg am Dienstag in einem Interview mit dem Sender SWR, das in dem Messenger-Kanal des Vereins gepostet wurde. Der für Berlin zuständige Ableger Querdenken 30 werde nun Demonstrationen in der Hauptstadt organisieren.
Laut dem Sender RBB ist eine für den 3. Oktober in Berlin geplante Querdenken-Demonstration nach Konstanz verlegt worden. Das twitterte der RBB-Journalist Olaf Sundermeyer nach der RBB-Talksendung «Wir müssen reden», an der Ballweg am Dienstagabend teilnahm.
Ballweg wies Kritik zurück, bei der Demonstration am Samstag seien auch viele Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger gewesen. «Ich habe keine Rechtsextremen gesehen.» Aber man werde künftig noch mehr darauf achten. Seine Bewegung sei demokratisch und weder Links- noch Rechtsextremisten noch gewaltbereites Potenzial gehörten dazu.