Lehrer müssen in Japan mindestens 80 Überstunden pro Monat leisten
Japans Lehrer häuften schon vor Corona weltweit routinemässig die meisten Überstunden an. Doch seit der Pandemie leistet jede zweite Lehrkraft 80 Überstunden.

Das Wichtigste in Kürze
- In Japan leisten Lehrer traditionell am meisten Überstunden weltweit.
- Die Corona-Pandemie treibt dieses Phänomen jetzt aber ins Perverse.
- 57 Prozent aller Lehrer hatten im Juli mehr als 80 Überstunden angehäuft.
Müssten die OECD-Staaten eine Fleissnote für die Arbeit ihrer Lehrer abgeben, wäre Japan der Klassenprimus. Das Land führte die Liste der gesammelten Überstunden ihrer Lehrer schon lange an.

Das liegt einerseits an der Mitarbeit in zusätzlichen Arbeitsgruppen am Nachmittag oder Wochenende. Aber auch am eigenen Anspruch vieler Lehrer, der Ausbildung um dem Wohlergehen der Kinder ihre Freizeit und vieles mehr zu opfern. Die Corona-Pandemie treibt das jetzt aber ins Perverse.
57 Prozent aller Lehrer haben mehr als 80 Überstunden im Juli
Eine aktuelle Umfrage zeigt: Mehr als jede zweite Lehrkraft hat im Juli mindestens 80 Überstunden gemacht. Ein Grossteil davon sogar mehr als 100. Das ergab eine Umfrage der Nichtregierungsorganisation Kyoiku no Mori unter mehr als 1'000 Lehrkräften.
Schuld ist die Corona-Krise. «Wir müssen unseren Unterricht beschleunigen, um Lernstoff aufzuholen. Wenn wir uns jedoch zu sehr beeilen, werden nicht alle Kinder mitkommen», sagt Chie Sasaki, Lehrerin einer vierten Klasse in Kyoto dem TV-Sender KBS.

Deshalb bereite sie sich jeden Tag intensiv vor, was eine Menge zusätzlicher Arbeit für sie sei, erzählt sie weiter. In der Grundschule wurde ausserdem die Unterrichtszeit heraufgesetzt. Zweimal in der Woche lernen die Kinder jetzt sieben Stunden und damit eine Stunde länger als bisher.
Danach desinfizieren die Lehrkräfte noch alle Klassenzimmer. Wegen der Corona-Pandemie müsse man ausserdem an zusätzliche Sitzungen und es finde ein verstärkter Austausch mit Eltern und Kindern statt.
Negativspirale befürchtet
Shinji Fujikawa, Leiter der Organisation, welche die Studie durchführte, warnt in der «Tagesschau» vor negativen Konsequenzen für alle Seiten. «Die Lehrkräfte sind müde und können deshalb nicht mehr gut mit den Kindern kommunizieren. Es hat sich gezeigt, dass jede zweite Lehrkraft nicht mehr aufmerksam zuhört», sagt er. Das frustriere die Kinder zusätzlich und werde sich auch in ihrem Verhalten widerspiegeln. «Das setzt dann eine Negativspirale in Gang», befürchtet Fujikawa.
Auch die Lehrergewerkschaft sieht sich unter Druck. Sie fürchtet sich vor Burnouts und Suiziden. Eigentlich hätte Anfang des Jahres das Erziehungsministerium reagiert: «Nur» noch 45 Überstunden pro Monat waren erlaubt. Doch die neuen Vorsätze in der Arbeitskultur wurde schnell wieder durch die Pandemie zunichtegemacht.