Israel schliesst den arabischen TV-Sender Al-Dschasira
Israel hat den arabischen TV-Sender Al-Dschasira im Land geschlossen. Die Regierung habe einstimmig beschlossen, die Tätigkeit der Fernsehanstalt in Israel zu untersagen, teilte das Regierungspresseamt am Sonntag mit. «Al-Dschasira-Korrespondenten haben der Sicherheit Israels geschadet und gegen israelische Soldaten gehetzt», sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der Mitteilung zufolge. Es sei an der Zeit, «das Sprachrohr der Hamas aus dem Land zu werfen». Der Sender verurteilte die Entscheidung und kündigte an, gegen den Schritt vorzugehen.
Inspektoren des Kommunikationsministeriums und Polizisten durchsuchten unterdessen am Nachmittag das Al-Dschasira-Büro im Hotel Ambassador in Ost-Jerusalem. Dabei seien Fernsehausrüstungen beschlagnahmt worden, bestätigte das Ministerium. Die israelischen Kabel- und Satellitennetzanbieter nahmen zudem den Sender demnach aus ihren Angeboten, der Zugriff auf seine Internet-Seiten wurde gesperrt.
Israel wirft Sender Voreingenommenheit vor
Israel wirft dem Sender vor, im Gaza-Krieg voreingenommen zu berichten. Netanjahu hatte bereits vor mehr als einem Monat eine Schliessung der in Israel tätigen Einrichtungen des TV-Netzwerks angekündigt. Das Parlament hatte zuvor das sogenannte Al-Dschasira-Gesetz gebilligt. Dieses ermöglicht eine Schliessung ausländischer TV-Sender, wenn diese als Risiko für die Staatssicherheit eingestuft werden.
Al-Dschasira hat seit Beginn des Kriegs ausführlich über die katastrophale Lage im Gazastreifen berichtet und Bilder von Tod und Zerstörung gezeigt, die in israelischen TV-Sendern kaum zu sehen sind. Der Sender zeigt auch regelmässig Videos des militärischen Arms der Hamas von Angriffen auf israelische Soldaten.
Die Vorwürfe der Voreingenommenheit wies der Sender zurück. «Das Al-Dschasira-Medien-Netzwerk verurteilt diesen kriminellen Akt aufs Schärfste, der die Menschenrechten und das grundlegende Recht auf Zugang zu Informationen verletzt», teilte der Sender am Sonntag mit. Man werde mit allen Mitteln gegen den Schritt vorgehen und die Rechte des Senders sowie der Mitarbeiter verteidigen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive.
Al-Dschasira wurde 1996 in Doha gegründet und galt als einer der ersten arabischen TV-Sender, der auch kritische Berichte über die Region veröffentlichte. Damit gewann er schnell an Popularität in der arabischen Welt. Katar selbst war vor Ausbruch des Gaza-Kriegs einer der wichtigsten finanziellen Unterstützer der Hamas. In Doha leben auch Spitzenvertreter der Islamistenorganisation.
Gantz: «Schreckliches Timing» der Schliessung
Der israelische Kommunikationsminister Schlomo Karhi unterzeichnete am Sonntag unmittelbar nach dem Regierungsbeschluss eine Schliessungsanordnung des Senders. Sie sieht vor, dass Büroräume in Israel geschlossen, die Sendeausrüstung beschlagnahmt, der Sender aus dem Programm der Anbieter von Kabel- und Satellitenfernsehen entfernt und seine Internetseite blockiert werden können.
Die im israelischen Sicherheitskabinett vertretene Partei Nationale Union von Benny Gantz zeigte sich mit der Schliessung einverstanden, kritisierte aber den Zeitpunkt. Es handle sich um ein «schreckliches Timing», das die gegenwärtig laufenden indirekten Verhandlungen mit der Hamas über eine Freilassung von Geiseln und Waffenruhe im Gaza-Krieg torpedieren könnte, erklärte die Mitte-Rechts-Partei. Die US-Regierung reagierte schon zu Anfang irritiert auf die Pläne des engen Verbündeten. Ein Sprecher des US-Aussenministeriums sagte, man unterstütze die freie Presse überall auf der Welt. Auch die Bundesregierung hatte das sogenannte Al-Dschasira-Gesetz kritisiert. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte vor gut einem Monat: «Eine freie und vielfältige Presselandschaft ist Grundpfeiler einer liberalen Demokratie.»