Ex-Präsident Bolsonaro nach Fluchtrisiko festgenommen
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro wurde wegen mutmasslicher Fluchtgefahr nach einem Vorfall mit seiner Fussfessel festgenommen.

Brasiliens früherer Präsident Jair Bolsonaro ist wegen eines möglichen Fluchtrisikos präventiv festgenommen worden. In der Nacht zum Samstag (Ortszeit) sei ein Vorfall bei Bolsonaros elektronischer Fussfessel registriert worden, der auf einen Versuch hindeutete, «das Gerät zu beschädigen», teilte der Oberste Gerichtshof (STF) mit. Bundesrichter Alexandre de Moraes sprach von einem «konkreten Fluchtrisiko» und einer «Bedrohung der öffentlichen Ordnung».
Die Massnahme stehe nicht im Zusammenhang mit der Vollstreckung der mehr als 27-jährigen Haftstrafe wegen versuchten Staatsstreichs, die im September verhängt worden war. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, mit einer Vollstreckung wurde zuletzt kommende Woche gerechnet.
Bolsonaro wurde am frühen Samstagmorgen in Brasília in Gewahrsam genommen und zur Bundespolizeidirektion gebracht. Dort kam er in einen speziell für frühere Staats- und Amtsträger vorgesehenen Raum. Der 70-Jährige hatte sich bereits seit August wegen Verstössen gegen gerichtliche Auflagen im Hausarrest befunden.
Verschärfter Hausarrest
Angesichts der neuen Erkenntnisse hielt das Gericht diese Form der Überwachung nicht mehr für ausreichend. Unmittelbar nach der Festnahme lehnte der STF ein Gesuch der Verteidigung ab, Bolsonaro wegen gesundheitlicher Beschwerden im Verfahren zum versuchten Staatsstreich weiter im Hausarrest zu belassen.
Die Anträge seien durch die aktuelle Massnahme «hinfällig» geworden, zitierte das Nachrichtenportal «G1» Richter Moraes. Bolsonaros Anwälte hatten zuvor unter anderem auf Lungeninfektionen, Gastritis, Hautkrebs, anhaltende Schluckauf-Krisen sowie Komplikationen nach dem Attentat im Wahlkampf 2018 verwiesen.
Bolsonaro gibt Manipulation zu
Auslöser der präventiven Haft war ein nächtlicher Alarm des Überwachungsgeräts. In einem später vom Gericht veröffentlichten Video räumte Bolsonaro ein, daran manipuliert zu haben. «Ich habe da heisses Eisen draufgehalten. Aus Neugier», sagte er einer Beamtin.
Auf Nachfrage, ob er ein Bügeleisen benutzt habe, erklärte er: «Nein, einen Lötkolben». Er habe die Fussfessel, die er während seines Hausarrests tragen musste, aber nicht abnehmen wollen,
Mögliche Flucht in den USA?
betonte er.Auf den Aufnahmen ist ein angeschmortes Kunststoffgehäuse des Funkapparats rund um den Knöchel des Ex-Präsidenten zu sehen. Die Beamtin erklärte, das Gerät sei «offenbar intakt» geblieben.
Die Ermittler verwiesen zudem auf eine Mahnwache, zu der Bolsonaros Sohn, Senator Flávio Bolsonaro, am Vorabend aufgerufen hatte. Ein tumultartiger Verlauf dieser Aktion hätte laut Moraes eine Kontrolle des Hausarrests erschweren und Bolsonaro eine Flucht im Schutze des Chaos ermöglichen können – möglicherweise zu einer nahegelegenen Botschaft eines ihm wohlgesonnenen Landes wie den USA.
Kritik an brasilianischer Justiz
Die Regierung von US-Präsident Donald Trump unterstützt den rechtskonservativen Ex-Militär und wirft der brasilianischen Justiz politische Motive vor. Der stellvertretende US-Aussenminister Christopher Landau kritisierte nach der Festnahme den landesweit bekannten Richter Moraes als «Menschenrechtsverletzer», der mit seinem «provokativen» Vorgehen Schande über das Oberste Gericht gebracht habe.
Der amtierende Präsident Luiz Inácio Lula da Silva äusserte sich zurückhaltend: «Ich kommentiere keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs», sagte er bei einer Pressekonferenz am Rande des G20-Gipfels im südafrikanischen Johannesburg. «Jeder weiss, was er getan hat», sagte er.
Bolsonaros Anwalt nimmt Stellung
Bolsonaros Anwalt Paulo Cunha Bueno vermied eine Erklärung zur Beschädigung der Fussfessel. Die Mahnwache sei verfassungsrechtlich geschützt gewesen. Die veröffentlichen Belege seien Teil einer Darstellung der Justiz, mit der «das nicht zu Rechtfertigende gerechtfertigt werden soll», sagte er.
Für Sonntagmittag war eine Haftprüfung vorgesehen – ein verpflichtender Vorgang, bei dem ein Richter feststellen soll, ob die Festnahme im Einklang mit dem Gesetz erfolgte und die Grundrechte gewahrt wurden.










