Bei seinem Besuch in den USA teilt Olaf Scholz gegen Putin aus. Gleichzeitig setzt er sich für mehr Militärhilfe für die Ukraine ein.
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Olaf Scholz spricht vor dem Weissen Haus zu den Medien. - keystone

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Ukraine bei seinem Kurzbesuch in Washington anhaltende Militärhilfe zugesagt und Russlands Präsidenten Wladimir Putin scharf kritisiert. Der Kremlchef verbreite Lügen über die Geschichte des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und verfolge imperialistische Bestrebungen, sagte Scholz am Freitag bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Weissen Haus.

Der Kanzler äusserte Hoffnung, dass der US-Kongress weitere Militärhilfen für Kiew genehmigen werde. Ohne die Unterstützung der USA und Europas habe die Ukraine keine Chance, das eigene Land zu verteidigen, mahnte er. Biden beklagte, ein Scheitern des Kongresses, die angeforderten Hilfen freizugeben, komme «krimineller Nachlässigkeit» gleich, und sagte: «Das ist unerhört.»

Botschaften an den Kremlchef

Scholz sendete bei seinem Besuch in der US-Hauptstadt eine klare Botschaft an Putin. Der Kremlchef setze auf ein Nachlassen der Unterstützung der westlichen Verbündeten für die Ukraine, sagte der SPD-Politiker. «Wenn wir klarmachen, dass das eine Fehlkalkulation ist, dann ist das der beste Beitrag für eine friedliche Entwicklung.» Der Krieg könne jederzeit enden, aber nicht, indem die Ukraine kapituliere.

Der Kanzler griff Putin scharf für sein Interview mit dem rechten US-Talkmaster Tucker Carlson an. Scholz bezeichnete das Gespräch als «lächerlich» und kritisierte, der russische Präsident habe in den 127 Minuten «ehrlicherweise nur verhöhnt, was an realen Taten von Russland in der Ukraine gemacht worden ist, und eine völlig absurde Geschichte erzählt über die Ursache für diesen Krieg». Putin habe den Willen, sich einen Teil der Ukraine einzuverleiben. «Und alle Geschichten, die dazu erzählt werden, ändern nichts daran, dass genau das der Zweck seiner imperialistischen Bestrebungen ist.»

Das erste Interview Putins mit einem westlichen Journalisten seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren wurde während des Aufenthalts des Kanzlers in Washington veröffentlicht. Putin sagte darin, der Westen müsse so langsam erkennen, dass der Konflikt für ihn militärisch nicht zu gewinnen sei. Früher oder später werde das in einer Einigung münden. «Wenn diese Erkenntnis eingesetzt hat, müssen sie (der Westen) darüber nachdenken, was als Nächstes zu tun ist.»

Treffen der wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine

Die USA und Deutschland sind die mit Abstand wichtigsten Waffenlieferanten der Ukraine. Scholz beziffert den Wert der von Deutschland gelieferten und zugesagten Rüstungsgüter auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die USA geben den Umfang ihrer Militärhilfe mit 44 Milliarden US-Dollar (rund 41 Milliarden Euro) an.

Sowohl Scholz als auch Biden haben gerade auf unterschiedliche Weise damit zu kämpfen, die Hilfe aufrechtzuerhalten. Der Kanzler hat zu Jahresanfang eine Initiative gestartet, um die EU-Partner – vor allem wirtschaftsstarke wie Frankreich, Spanien und Italien – zu mehr Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte zu bewegen. Der Erfolg ist bisher mässig.

Biden wiederum versucht seit Monaten, neue Milliardenhilfen für Kiew durch den Kongress zu bringen. Die Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump blockieren das, haben zuletzt aber zumindest im Senat etwas Bereitschaft signalisiert, sich zu bewegen.

Scholz sieht «gutes Zeichen» für weitere US-Hilfe

Scholz dinierte am Donnerstagabend nach seiner Ankunft in Washington mit acht Senatoren aus dem Kongress, darunter auch vier Republikaner. Aus der deutschen Delegation hiess es anschliessend, die Gesprächspartner hätten sich «hoffnungsvoll» gezeigt, dass die USA ihre finanzielle Unterstützung leisten würden.

Scholz zeigte sich am Freitag zuversichtlich, dass der US-Kongress weitere Mittel für die Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte freigeben werde. Er sei «ganz froh» darüber, «dass es jetzt ein gutes Zeichen gibt». Am Vortag hatte ein neues Gesetzespaket, das unter anderem 60 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) für die Ukraine vorsieht, eine erste formale Hürde im Senat genommen. Noch laufen Verhandlungen dazu, und eine finale Abstimmung im Senat steht aus. Ob das Paket dort durchkommt und vor allem in der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, Chancen hat, ist aber noch völlig offen. Angesichts der monatelangen Blockade werden aber schon minimale Bewegungen als Fortschritt gewertet.

Biden hat mit ganz anderen Problemen zu tun

Scholz und Biden wollten bei ihrem Gespräch im Oval Office neben der Ukraine-Hilfe auch über den Nahost-Konflikt und den Nato-Jubiläumsgipfel in Washington im Juli reden.

Der US-Präsident hat derzeit aber noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Kurz vor der Ankunft des Kanzlers holte eine Dokumenten-Affäre den Demokraten ein: Es geht darum, dass er vertrauliche Regierungsunterlagen aus seiner Zeit als US-Vizepräsident privat aufbewahrte – was nicht erlaubt ist. Der für die Untersuchung der Vorwürfe eingesetzte Sonderermittler empfahl in seinem Abschlussbericht zwar keine juristischen Konsequenzen für den 81-Jährigen. Doch er beschrieb den mächtigsten Mann der Welt als tattrigen Senior mit grossen Gedächtnisschwierigkeiten, was Biden im Wahljahr höchst ungelegen kommt.

Serie von Versprechern: Merkel mit Kohl verwechselt

Hinzu kommt, dass Biden in den vergangenen Tagen wieder mit peinlichen Versprechern auffiel. Ausgerechnet einen Tag vor dem Besuch des Kanzlers verwechselte er dessen Vorgängerin Angela Merkel mit dem gestorbenen Altkanzler Helmut Kohl (beide CDU), als er in New York eine Anekdote vom G7-Gipfel im Jahr 2021 zum Besten gab. Bei einer spontan einberufenen Pressekonferenz zum Bericht des Sonderermittlers unterlief Biden dann am Donnerstagabend wieder ein Versprecher: Bei einem Kommentar zur Nahost-Krise machte er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi versehentlich zum Staatschef von Mexiko.

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