Immer weiter steigen die Zahlen, die nach und nach das Ausmass des Leids in Haiti nach dem Beben offenbaren. Vielerorts ist noch keine Hilfe angekommen, in die Verzweiflung mischt sich Wut.
Verzweiflung! Knapp 53.000 Häuser wurden durch das Erdbeben in Haiti zerstört und gut 77.000 beschädigt. Foto: Tcharly Coutin/XinHua/dpa
Verzweiflung! Knapp 53.000 Häuser wurden durch das Erdbeben in Haiti zerstört und gut 77.000 beschädigt. Foto: Tcharly Coutin/XinHua/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti hat die schleppend anlaufende Hilfe einige schwer betroffenen Orte bis zum Donnerstag immer noch nicht erreicht.

Manche Ortschaften waren fast vollständig zerstört und warteten weiterhin auf dringend benötigte Dinge wie Lebensmittel, Trinkwasser, Medizin und Zelte, berichtete etwa die Zeitung «Le Nouvelliste» aus dem südhaitianischen Department Sud.

Angesichts der Not und verstärkt aufkommender Wut der Bewohner forderten gewählte lokale Vertreter den Staat zum Handeln auf, hiess es. Die Zahl der bestätigten Todesopfer stieg erneut deutlich um fast 250 auf 2189, wie die Zivilschutzbehörde am Mittwochabend (Ortszeit) mitteilte.

Das Land sei physisch wie psychisch verwüstet, betonte Interims-Premierminister Ariel Henry in einer Ansprache an die Nation. Eine Arbeitsgruppe mit Beteiligung der Zivilgesellschaft und des Privatsektors werde alle Spenden zentral verwalten, um sie besser zu verteilen, sagte der Übergangs-Regierungschef. Henry rief zur Einigkeit auf.

Das Beben der Stärke 7,2 hatte sich am Samstagmorgen (Ortszeit) nahe der Gemeinde Saint-Louis-du-Sud in einer Tiefe von rund zehn Kilometern ereignet. Nach Angaben des Zivilschutzes wurden 332 Menschen noch vermisst. Mindestens 12 268 Menschen seien verletzt worden. Knapp 53.000 Häuser seien zerstört und gut 77.000 beschädigt. Laut UN-Kinderhilfswerk Unicef waren 1,2 Millionen Menschen von der Katastrophe betroffen.

Wie die Regierung mitteilte, fuhren am Mittwoch mehr als zehn Lastwagen mit Hilfsgütern in die Erdbebenregion im Südwesten des Karibikstaates. Zuvor war nach UN-Angaben ausgehandelt worden, dass Hilfskonvois die Hauptstrasse zwischen der Hauptstadt Port-au-Prince und dem Süden des Landes befahren dürfen, die von Banden kontrolliert wird. Deren Kämpfe um Territorien legen Teile von Port-au-Prince immer wieder lahm und trieben laut UN allein im Juni rund 15.000 Menschen in die Flucht.

Die Direktorin der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (Paho), Carissa Etienne, teilte mit, die Gesundheitseinrichtungen im Erdbebengebiet seien überlastet, 20 von ihnen seien durch das Beben beschädigt und vier zerstört worden. Der Bedarf an medizinischem Personal, Medizin, Ausrüstung und Patiententransport sei immens.

Etienne rief die internationale Gemeinschaft zur Hilfe auf. Haitis ohnehin stark unterfinanziertes Gesundheitssystem war schon vor dem Beben aufgrund der sich zuletzt verschlimmernden Corona-Pandemie überstrapaziert gewesen. Es traf ein Land, in dem viele Menschen in bitterer Armut leben und das für Naturkatastrophen besonders anfällig ist.

Die Erdbebenregion wurde im Jahr 2016 von Hurrikan «Matthew» verwüstet - mehr als 500 Menschen starben. Bei einem Erdstoss der Stärke 7,0 im Januar 2010, dessen Zentrum nahe der dicht besiedelten Hauptstadt lag, waren mehr als 220.000 Menschen ums Leben gekommen. Ein grosser Teil der für den Wiederaufbau bestimmten Mittel kam bei der Bevölkerung nicht an, unter anderem wegen Korruption und Verschwendung. Das Land erlebt ausserdem eine tiefe politische Krise, die sich durch die Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse am 7. Juli noch verschärft hat.

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