Befreiungstheologe und Dichter Ernesto Cardenal gestorben
Der nicaraguanische Dichter, Befreiungstheologe und Revolutionär Ernesto Cardenal ist tot.

Das Wichtigste in Kürze
- Dreitägige Staatstrauer in Nicaragua.
Er starb am Sonntag im Alter von 95 Jahren an einem Herzstillstand, wie seine langjährige Assistentin Luz Marina Acosta der Nachrichtenagentur AFP mitteilte. Nicaraguas Präsident Daniel Ortega rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Cardenal war als Vertreter der sandinistischen Revolution und als Dichter zu grosser internationaler Berühmtheit gelangt. Mit der katholischen Kirche geriet er wegen seines politischen Engagements in Konflikt.
Cardenal war am Mittwoch mit Atemproblemen in die Klinik eingeliefert worden. Am Sonntag sei er schliesslich «in vollkommenem Frieden» gestorben, sagte Acosta.
Cardenal war einer der bekanntesten Vertreter der Befreiungstheologie. Die in Lateinamerika entstandene Bewegung setzt sich gegen soziale Missstände und Ungerechtigkeiten ein. Der Dichter und katholische Priester wurde nach dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza durch die linksgerichteten Sandinisten 1979 vom damals erstmals an die Macht gelangten Ortega zum Kultusminister ernannt. Das Amt übte er bis 1987 aus.
Für sein literarisches Werk wurde Cardenal mehrfach ausgezeichnet. Unter anderem wurde ihm 1980 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.
Cardenal schrieb seine ersten Gedichte im Alter von sechs Jahren. Er studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Mexiko-Stadt und New York. 1965 wurde er zum Priester geweiht. In dieser Zeit begann er, sich für den Kampf der Sandinisten zu engagieren. In seiner Autobiografie schrieb Cardenal, dass er sich zeitlebens «von Gott führen liess». Dieser habe ihn inspiriert, «revolutionär zu sein», noch bevor sich 1961 die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) gründete.
Auf den Solentiname-Inseln im Nicaragua-See gründete Cardenal 1966 eine christliche Gemeinschaft. Die dortige ländliche Bevölkerung ermutigte er auch zu künstlerischer Tätigkeit. Die von ihm inspirierte naive Malerei von Solentiname wurde international bekannt. Cardenals bekanntestes Werk trägt den Titel «Das Evangelium der Bauern von Solentiname». Auf dem Insel-Archipel soll er nach einer Trauerfeier am Dienstag in der Kathedrale von Managua am Samstag auch seine letzte Ruhestätte finden.
Wegen seiner Mitwirkung in der sandinistischen Regierung geriet Cardenal mit der katholischen Kirche in Konflikt. Bei einem Besuch in Nicaragua 1983 rügte ihn Papst Johannes Paul II. öffentlich. Der Pontifex weigerte sich bei seiner Ankunft auf dem Flughafen von Managua, sich von Cardenal, der vor ihm niederkniete, die Hand küssen zu lassen. 1985 verbot ihm Johannes Paul II. die Ausübung des priesterlichen Dienstes. Erst vor einem Jahr hob Papst Franziskus das Verbot wieder auf.
Mit Ortega und dessen FSLN hatte Cardenal schon in den neunziger Jahren gebrochen. Cardenal warf Ortega einen autoritären Führungsstil und Korruption vor. Der Staatschef will dennoch an den Trauerfeierlichkeiten für Cardenal teilnehmen. «Wir erkennen seinen Beitrag zum Kampf des nicaraguanischen Volkes an», hiess es in einer Mitteilung der Regierung.