Am Sonntag stürmten Anhänger von Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro den Regierungssitz in Brasilien. Schweizer Expertinnen zeigen sich besorgt.
Am Sonntag stürmten Anhänger von Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro den Regierungssitz in Brasilien. - Nau.ch
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am Sonntag stürmten Anhänger von Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro den Regierungssitz.
  • Der amtierende Staatschef Lula da Silva macht seinen Vorgänger dafür verantwortlich.
  • Expertinnen zufolge verdeutlichen die Ereignisse die tiefe Spaltung des Landes.

Der gestrige Sonntag geht als schwarzer Tag in die Geschichte Brasiliens ein: Hunderte radikale Anhänger des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro verschafften sich gewaltsam Zugang zum Kongress, dem Regierungssitz und dem Verfassungsgericht in Brasilia.

Über Stunden hielt die Zerstörungswut der Protestierenden das südamerikanische Land in Atem.

Auf Social Media kursieren Aufnahmen von Menschen, die Türen und Fenster zertrümmern und in Büros randalieren. Der Kommunikationschef des Präsidenten, Paulo Pimenta, zeigt in einem Twitter-Video sein zerstörtes Büro.

Die Eindringlinge beschädigten Mobiliar, sie drangen in den Kongress, ins Oberste Gericht und ins Regierungsgebäude ein.
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Zwei Beamte begutachten die Schäden im Regierungssitz.
Keystone
Spezialkräfte setzen Tränengas ein, Hubschrauber kreisten über dem Regierungsviertel.
Mehrere Tausend Bolsonaro-Fans kämpften sich am Sonntag auf das Kongressgelände.

Obwohl er sich distanziert, gibt es schwere Vorwürfe gegen Bolsonaro – zum Beispiel von seinem Nachfolger.

«Das war Barbarei», kommentierte der neue Präsident Lula da Silva bei einer Pressekonferenz. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen Vorgänger. «Das wurde von Miami aus gesteuert und angeheizt, wo Bolsonaro hingereist ist.»

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Im brasilianischen Regierungspalast herrscht Chaos. - Keystone

Kurz vor Ende seiner Amtszeit war der 77-Jährige nach Florida geflogen. Doch dort scheint er nicht mehr willkommen: Die US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez forderte am Montag seine Ausweisung.

Hass zwischen zwei Lagern

Doch warum ist die Wut im südamerikanischen Land eigentlich so gross? Schweizer Experten machen sich bei Nau.ch Sorgen.

«Der Hass zwischen den zwei Lagern hatte sich schon im Wahlkampf gezeigt und wurde immer weiter angeheizt», sagt Südamerika-Expertin Melina Teubner.

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Die Kandidaten Lula (links) und Bolsonaro
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Der frühere US-Präsident Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung.

Es gebe einen Teil der Bolsonaro-Anhänger, welche dessen Wahlniederlage nicht akzeptieren wollten. «Sie selbst stellen sich als gute und rechtschaffende Bürger dar, die Brasilien retten wollen – es fragt sich allerdings, wovor», so Teubner weiter.

Trägt Jair Bolsonaro beim brasilianischen «Sturm aufs Kapitol» eine Mitschuld?

Von dieser Gewaltbereitschaft einzelner Anhänger gehe eine grosse Gefahr aus. «Es hat sich mit dem hauchdünnen Sieg Lulas abgezeichnet, dass es schwierig wird, das Land in den nächsten Jahren zu regieren. Es bleibt zu hoffen, dass der Staatsapparat stark genug ist, um die Demokratie zu schützen», so Teubner.

Ähnlichkeit zu Kapitol-Sturm in den USA

Das Ganze erinnere an den Angriff auf das US-Kapitol im Jahr 2021, sagt die Politologin Eri Bertsou von der Uni St.Gallen auf Anfrage. Damals stürmten Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump am 6. Januar gewaltsam den Parlamentssitz in Washington.

«Das zeigt uns, dass politische Kräfte in verschiedenen Ländern voneinander lernen und sich gegenseitig nachahmen», so Bertsou weiter. Das Verhalten der beiden Männer sei für die künftige demokratische Stabilität der Länder «besorgniserregend».

Bertsou: «In tief gespaltenen Gesellschaften, in denen ein Grossteil der Bevölkerung einander nicht mehr zuhört, sorgt dies für eine Störung des demokratischen Machtwechsels.»

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