«Blueliner Berger»: Ambrìs Märtyrer
Eine denkwürdige Intrige des Präsidenten hat im Oktober auf einen Schlag Ambrìs langjährige Aushängeschilder Luca Cereda und Paolo Duca aus dem Klub gefegt.

Intern hatte sich Filippo Lombardi schon lange unmöglich gemacht. Der Medienunternehmer und Politiker führte den HC Ambrì-Piotta wie ein Sonnenkönig, ein nicht unerheblicher Teil der Belegschaft wünschte sich längst den Abgang des Präsidenten.
Lombardis Verdienste um den Verein sind bekannt, den Bau der Gottardo-Arena hat nicht zuletzt er ermöglicht, aber der ehemalige CVP-Ständerat wäre gut beraten gewesen, längst auf wohlmeinende Einflüsterer zu hören und sich durch die grosse Türe zu verabschieden: als Ikone, mit Trompeten und Fanfaren.
Nun ist es anders gekommen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war Lombardi zwar noch immer Präsident, aber er hat sein Amt zur Verfügung gestellt und rund um den Verein herrscht Konsens darüber, dass er nicht länger tragbar ist.

Als Ambrì im September und Oktober Spiel um Spiel verlor, wurde Lombardi so unruhig, dass er hinter dem Rücken von Cereda und Duca in Zürich mit Christian Dubé verhandelte.
Das ist keine Art, wie man nach mehr als acht gemeinsamen Jahren miteinander umgeht. Die Vorgehensweise verrät viel über Lombardi, über seinen Stil.
Und dann noch Dubé, ausgerechnet, man kann sich schwerlich jemanden vorstellen, der schlechter zum Ethos dieses Arbeiter- und Berglervereins passt.
Doch es gibt eine Sache, die bei all der berechtigten Empörung um Lombardis Taktlosigkeit vergessen gegangen ist: dass es angesichts der prekären sportlichen Situation grundsätzlich kein Frevel war, das Duo Duca/Cereda infrage zu stellen.
Ja, Ambrì plagen existenziellere Probleme – jene finanzieller Natur. Und ja, es ist schwierig, mit den aktuellen Parametern in der Leventina Erfolg zu haben und Spieler dorthin zu locken. Aber eine einzige Playoff-Qualifikation in acht Jahren ist kein Ruhmesblatt.

Cereda ist ein feiner Mensch, einer, der Ambrì wirklich im Herzen trägt. Als Coach fehlte es ihm an Varianz; Ambrì kannte unter ihm eigentlich nur einen Weg, um Spiele zu gewinnen: den Gegner mit Intensität vom Eis zu arbeiten.
Nach acht Jahren funktionierte das immer seltener, einen Plan B gab es nicht. Bei den jungen Spielern war selten eine Entwicklung zu erkennen.
Sein Kompagnon Duca verpflichtete mehrfach erstklassige Tschechen (Chlapik, Kubalik, Spacek), aber er schaffte es über Jahre nicht, die miserabel besetzte Verteidigung aufzuwerten.
Bei den Ausländern fehlte ihm zuletzt immer wieder die Fortune, das letzte Beispiel war Nicolas Petan, dessen Zweijahresvertrag Ende Oktober aufgelöst wurde. Petan war teuer, wirkte auffallend lustlos und leistete wenig.

Auch die umstrittene Vertragsverlängerung mit dem 36-jährigen Auslaufmodell Chris DiDomenico war ein Fehler:
Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe Anfang November hatte der Kanadier in 19 Spielen kein einziges Tor erzielt und wies mit Minus-17 die schlechteste Plus-/Minus-Bilanz der Liga auf.
Man darf nicht vergessen, dass es sehr schwierig ist, Ambrì zu coachen und zu managen. Der Standortnachteil ist gross, die Konkurrenz enorm. Cereda und Duca haben mit grossem Einsatz alles für diesen Klub gegeben, der Workaholic Duca fast bis zur Selbstaufgabe.
Aber so richtig wird man den Eindruck nicht los, dass ihnen eine Vision fehlte, wie sich am Status quo jemals etwas ändern sollte.

Das gilt auch für die Chefetage: Ambrì hat gravierende finanzielle Probleme. Und die einzige Strategie des Verwaltungsrats um Lombardi lautet: «Kick the can down the road», verschieb die Probleme auf morgen, irgendwie wird es schon werden.
Lombardi suchte sein Glück immer wieder bei findigen kanadischen Glücksrittern. Daraus geworden ist nichts, die Schuldenlast drückt Ambrì unverändert. Das hat mit Weitsicht und Vernunft wenig zu tun – es ist ein Vabanquespiel mit hoher Explosionsgefahr.

Es mag ein schwacher Trost sein, aber seinem Verrat hat Lombardi seinen einstigen Gefährten Cereda und Duca immerhin den bestmöglichen Abgang beschert: Sie durften Ambrì mit erhobenem Haupt verlassen, als fast wie Märtyrer gefeierte Helden.
Es ist ein erhabenes Adieu, wie es den beiden sonst nicht zuteilgeworden wäre.
Über den Autor
Nicola Berger schreibt seit mehr als 15 Jahren über das Schweizer Eishockey – er tat das lange für die «Luzerner Zeitung». Und auch für Produkte, die es betrüblicherweise längst nicht mehr gibt: «The Hockeyweek», «Eishockey-Stars», «Top Hockey».
Seit 2013 ist er Reporter bei der NZZ und hat eine ausgeprägte Schwäche für Aussenseiter sowie aus der Zeit gefallene Stadien und Persönlichkeiten. Ein Königreich für ein Comeback von Claudio Neff.






