Andres Ambühl: «Im November war klar: Ich mache weiter»

Kristian Kapp
Kristian Kapp

Mit dem WM-Final in Stockholm endete die Karriere von Andres Ambühl. Der bald 42-jährige Davoser blickt im Slapshot-Interview auf eine lange Karriere zurück.

Andres Ambühl Slapshot
Mit der Silbermedallie im WW-Final von Stockholm hat der 41-jährige Andres Ambühl seine Karriere beendet. - IMAGO / Sports Press Photo

SLAPSHOT: Fühlen Sie sich schon wie ein «Zurückgetretener»?

Andres Ambühl: Ich hätte derzeit sowieso Ferien. Und ich weiss, dass die Karriere vorbei ist. Aber so richtig realisieren, dass nun alles anders ist? Das wird wohl erst dann soweit sein, wenn die nächste Saison anfängt.

SLAPSHOT: Sie sind Familienvater mit zwei Kindern: Werden Sie in dieser Rolle nun besser aufgehen können?

Ambühl: Ich glaube, dass ich schon als Spieler relativ viel Zeit für die Kinder hatte. Jetzt wird die Familie eher bestimmen, wann wir was machen, da zuvor Trainings und Spiele den Takt vorgaben. Und wir werden qualitativ bessere Zeit gemeinsam verbringen können.

SLAPSHOT: Ihre Kinder sind fünf- und dreijährig. Mussten Sie ihnen erklären, warum Sie nicht mehr spielen?

Ambühl: Ja, schon. Die Ältere fand: Spiel doch weiter! Aber als sie hörte, dass ich im Sommer häufiger zuhause sein werde, fand sie: Dann ist ja gut! (lacht)

Andres Ambühl Slapshot
Über 20 Jahre stand Andres Ambühl als aktiver Spieler auf dem Eis. - IMAGO/ActionPictures

Es kann aber sein, dass ich künftig seltener zuhause bin, wenn ich einen «richtigen» Job habe. Vielleicht finden die Kinder dann: Spiel wieder Eishockey! Es ist aber schön, dass ich diese Zeit, bevor sie in die Schule kommen, besser geniessen kann.

SLAPSHOT: Als Sie vor 24 Jahren mit 17 in die 1. Mannschaft des HC Davos kamen, trafen Sie auf ein gefestigtes Team mit vielen Führungsspielern. War das einschüchternd für einen Teenager?

Ambühl: Ich hatte schon Ehrfurcht. Ein paar Jahre vorher waren das noch meine Idole. Solange du aber alles gemacht hast, um Teil der Mannschaft zu sein, hast du sehr grosse Unterstützung erfahren.

So wurdest du Teil der Hierarchie. Es waren immer noch die gleichen guten Spieler, aber du gehörtest dazu. Es war eine sehr coole Zeit, auch, weil das Fundament vor allem aus Schweizer Spielern bestand.

SLAPSHOT: Sie hatten mit den Wiesers und Von Arx jahrelang zwei Brüderpaare im Team. Marc Wieser bezeichnete Dino auch als seinen «Mentaltrainer», mit dem er über alle Probleme reden konnte. Sie haben drei Schwestern – hätten Sie sich einen Hockeybruder gewünscht?

Ambühl: Es macht sicher vieles einfacher, wenn du zu zweit bist und der andere genau weiss, wie du tickst. Aber diesen Wunsch hatte ich dennoch nie. Ich hatte es mit den Schwestern immer sehr gut und hätte mich auch mit ihnen austauschen können.

Aber das war nicht notwendig, da ich vor allem am Anfang in einer derart engen Gruppe mit Florian Blatter, Peter Guggisberg, Fabian Sutter und all den anderen war, dass sie für mich fast wie Brüder waren.

SLAPSHOT: Als Profispieler des HCD wurden Ihre Erfolge auch in den Medien dokumentiert – im Gegensatz zu jenen der Schwestern. Sorgt das für Spannungen in der Familie, wenn stets der Sohn im Mittelpunkt steht?

Ambühl: Nein, weil die Eltern alle gleich behandelten. Nur, weil ich ein bisschen Eishockey spielte, habe ich von ihnen nicht mehr Wertschätzung erhalten als meine Schwestern.

Andres Ambühl Slapshot
Die Fans würdigen die lange Karriere von Andres Ambühl. - IMAGO / justpictures.ch

Das war wichtig. Man muss nicht im TV sein, um gute Sachen zu machen. Kein Kind ist besser als das andere.

SLAPSHOT: Man kennt Ihren Vater als ruhigen HCD-Fan auf den Sitzplätzen. War er Antreiber Ihrer Karriere?

Ambühl: Er ging die Spiele schauen, schon lange bevor ich überhaupt auf die Idee kam, selber zu spielen. Er hat einfach Spass am Eishockey, das ist auch heute noch so. Meine Eltern waren immer stille Geniesser.

Sie sagten nie: Du musst das oder das spielen. Sie wollten nur, dass ich etwas wirklich durchziehe und nicht halbpatzig mache.

SLAPSHOT: 26-jährig verliessen Sie Davos, zunächst für ein Jahr Richtung USA. AHL-Hockey in Hartford war eine für Sie unbekannte Welt…

Ambühl: Ich versuchte zunächst, wie beim HCD zu spielen: Wenn wir den Puck erobert hatten, lief ich gleich los. Das kam nicht gut an. (lacht)

Ich hörte häufig: Solange der Puck sie nicht verlassen hat, bleibst du in der eigenen Zone! Ich brauchte Zeit, mich umzugewöhnen. Dieses Jahr verlief sportlich nicht wie erhofft. Ich war wohl auch etwas naiv.

SLAPSHOT: Warum?

Ambühl: Ich dachte: Wenn ich rüber gehe, Gas gebe und krampfe, bekomme ich, was ich verdiene. So wie in der Schweiz.

Andres Ambühl Slapshot
Andres Ambühl hat seine aktive Spielerkarriere mit dem Stockholmer WM-Final beendet. - zVg

Das war aber nicht so, dort spielten aber auch noch andere Faktoren eine Rolle. Und das hatte ich nicht gewusst. Dennoch war es ein lehrreiches Jahr.

SLAPSHOT: In Ihrer Linie spielten vor allem am Anfang häufig Tough Guys, die oft, kaum auf dem Eis, sich gleich prügelten. Haben Sie in der AHL Eishockey-technisch überhaupt etwas gelernt?

Ambühl: Ich habe schon ein paar Details gelernt von diesem anderen Spiel. Dies half mir auch, als ich dann zum ZSC wechselte und unter Bob Hartley spielte. Vieles kam mir bekannt vor, was mir entgegenkam. Hätte ich Hartley schon vor Hartford gehabt, hätte mir dies sicher auch geholfen.

SLAPSHOT: In Zürich konnten Sie sich etablieren, blieben drei Saisons.

Ambühl: Es waren die drei besten Jahre für meine Karrierenentwicklung. Ich fühlte mich sofort wohl, auch weil viele mir bekannte Spieler schon dort waren. Es war wieder wie in einer Familie.

Ich wurde auch anders angeschaut. Es ist ähnlich wie mit dem Lehrling in einem Betrieb. Wenn du immer im selben Betrieb bleibst, wirst du ein Stück weit immer als der Lehrling angeschaut, selbst wenn du die Lehre abgeschlossen hast.

An einem anderen Ort hast du hingegen andere Möglichkeiten, dich zu entfalten. So war es für mich in Zürich. Ich erhielt sehr viel Verantwortung, daran konnte ich wachsen.

SLAPSHOT: War es klar, dass Sie einst zum HCD zurückkehren?

Ambühl: Der Entscheid fiel mir nicht einfach. Weil es mir in Zürich so gut passte, hätte ich mir vorstellen können, noch länger zu bleiben.

Doch längerfristig gesehen war eigentlich klar, dass ich irgendwann zurückkomme. Weil die Familie hier in Davos ist. Und weil viele meiner Freunde immer noch dort spielten.

Andres Ambühl Slapshot
Viele Jahre stand Andres Ambühl für den HC Davos auf dem Eis. - POSTFINANCE/KEYSTONE/Urs Flueeler

Doch ein Jahr nach meiner Rückkehr waren fast alle weg: Back, Ramholt, Grossmann, Guggisberg, Bürgler. (lacht) Das war schon schade, vor allem wegen «Guggi», weil ich wirklich gerne mit ihm spielte.

SLAPSHOT: Trotzdem wurde der HCD ein weiteres Jahr später Meister – zum bislang letzten Mal. Das passte, weil Sie bis zu jener Zeit mit sechs Titeln fast nur Erfolg kannten. War Ihnen während der Karriere bewusst, wie wenig normal so eine Bilanz ist?

Ambühl: Auch wenn du eigentlich weisst, dass es speziell ist, alle zwei Jahre Meister zu werden, war uns das wohl nicht wirklich bewusst.

Du merktest auch im Umfeld, dass vieles als normal und plötzlich sogar als Selbstverständlichkeit angeschaut wurde. Was nicht gut war. Man merkte erst, als es nicht mehr gut lief, dass alles vorher keine Selbstverständlichkeit gewesen war.

SLAPSHOT: Diese Saison 2018/19: Sie verpassten erstmals in Ihrer Karriere die Playoffs und mussten Playout gegen Rapperswil spielen.

Ambühl: Das war Horror. Das schlimmste Jahr meiner Karriere. Wenn du in der Relegation bist, geht es plötzlich um den ganzen Klub.

Da fühlst du dich als Spieler verantwortlich, du hast die Zukunft des Klubs in deiner Hand. Dies auch mental zu handeln, war für mich die grösste Herausforderung der Karriere.

SLAPSHOT: Den Rücktritt kündigten Sie bereits im Februar an. Hatten Sie die Fragerei satt?

Ambühl: Nein, es ging so lange mit der Entscheidungsfindung. Im November war ich mir noch sicher, dass ich noch ein Jahr weiterspiele.

Andres Ambühl
Der HC Davos war von 2000 bis 2009 und von 2013 bis 2025 sein Verein. In den Jahren dazwischen spielte Andres Ambühl in der AHL und für die ZSC Lions. - PostFinance/KEYSTONE/Juergen Staiger

Dann, nach all den Gesprächen, liess ich mir Zeit, um alles abzuwägen. Es war mir wichtig, mich vor den Playoffs zu entscheiden und auch schon alles zu regeln, weil du in den Playoffs dieses Thema nicht brauchst.

SLAPSHOT: Sie beendeten Ihre Karriere mit dem WM-Final in Stockholm. Können Sie sich schon über Silber freuen?

Ambühl: Nein. Es war das zweite Jahr hintereinander, in dem ich das Gefühl hatte: Jetzt sind wir an der Reihe. Es tut darum immer noch weh. Vielleicht kann ich in ein paar Jahren, wenn ich zurückdenke, sagen: Es war cool, zum Abschluss in einem WM-Final zu stehen und Silber zu holen.

SLAPSHOT: Haben Sie Ihren allerletzten Shift der Karriere nochmals angeschaut?

Ambühl: Ja. Malgin fährt in der Overtime um das Tor und schiesst.

SLAPSHOT: Sie stehen im Slot, als Jeremy Swayman Malgins Schuss nur ganz knapp parieren kann. Falls Malgins Schuss ein wenig ungenauer ist und er stattdessen Sie anschiesst, prallt der Puck vielleicht als Golden Goal ins Tor …

Ambühl: … oder wenn ich mich löse und stattdessen «backdoor» beim anderen Pfosten stehe, fliegt der Puck vielleicht von meiner Brust ins Tor… Solche Gedanken hat man schon ab und zu. Aber ändern kann ich es nicht mehr.

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