Wie ich es als Luzernerin geschafft habe, Zürich zu lieben
Als Luzernerin kenne ich die skeptische Haltung gegenüber Zürich. Nach vielen Jahren habe ich dennoch gelernt, diese Stadt zu lieben.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz herrscht grösstenteils eine skeptische Haltung gegenüber der Stadt Zürich.
- Die Autorin Angelika Imhof kennt das aus eigener Erfahrung.
- Sie erzählt, wie sie nach mehreren Anläufen gelernt hat, die Stadt trotzdem zu lieben.
Als gebürtige Luzernerin habe ich die skeptische Haltung gegenüber Zürich schon früh mitbekommen. Und auch meine siebenjährige On-Off-Beziehung mit Bern hat nicht geholfen, die Vorurteile gegen Zürich abzubauen – im Gegenteil.
2018 hatte ich sie noch alle: Die Vorurteile gegenüber Zürich und seinen Bewohnern. Zürich, das war für mich: Bahnhofstrasse, Banken, Zürischnurre. Das war: an Oberflächlichkeiten polierte Arroganz, zwinglianischer Arbeitseifer und absurd teure Cüplis oder Mietkosten.
Also bin ich 2019 für ein Jahr hingezogen, um meine Vorurteile mit der Realität abzugleichen, in der Hoffnung, sie abzubauen. Und es hat geklappt, die negative Konditionierung wurde gelöscht. Heute kann ich mit Überzeugung sagen: Ich habe Zürich richtig liebgewonnen.
Zum meinem Meinungsumschwung haben diese sieben Gründe beigetragen:
Mehr Gegensätze, mehr Diversität
In Zürich finden irgendwie alle zusammen: Das Grossmütterli, das seit Jahrzehnten im Sprüngli ihr wöchentliches Canapé vernascht, die Kleinfamilie, die sich in Wipkingen friedlich eingerichtet hat, das Millenial-Paar, das in einer Altbauwohnung im Kreis 3 wohnt, den Sommer vor der Gelateria di Berna und den Winter in der Sport Bar verbringt.
Arbeiterschicht, Mittelschicht, Oberschicht, Menschen aus allen Kulturen mit allen Sprachen – sie alle gleiten hier auf beschränktem Radius durch das Geflecht der Stadt. Meistens aneinander vorbei – aber hin und wieder, in Momenten der Offenheit und Toleranz, auch aufeinander zu.
Kreis-Flohmi
In Zürich gibts in den Sommermonaten jeweils die grandiosen Kreis-Flohmis. Die Idee: Quartierbewohner veranstalten auf ihrem Privatgelände einen Flohmarkt. Die Besucher können sich mithilfe einer Onlinekarte von einem Flohmi-Stand zum nächsten Navigieren oder sie lassen sich einfach durchs Quartier treiben.
Genial um Raritäten aufzustöbern, um mit Leuten aus dem jeweiligen Kreis einen Schwatz zu halten und die verschiedenen Quartiere besser kennenzulernen.
Frühstück unter der Woche
Auch toll ist, dass man an jedem beliebigen Wochentag an zahlreichen Orten ein richtig gutes Frühstück bekommt. Und ich spreche hier nicht von Bäckereien. Um nur ein paar wenige zu nennen:
Café des Amis – Brunchteller, Rührei und Crèpres;
Kafi Schnaps – Kafi complet, Kafi Supplement, Kafi riche;
Bank – French Toast, Porridge, Pain au chocolat.
Öffentliche Villenpärke
Während des Frühlings-Lockdowns habe ich es leidenschaftlich betrieben: Die Zeit lesend in Pärken verbracht. Und zwar in den verwunschen, romantischen Villenpärken, von denen es in Zürich gleich einige gibt und die zum Glück der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Meine Highlights: Villa Tobler, Villa Wesendonck, Villa Rieter, Villa Schönberg, Villa Patumbah, Villa Bleuler.
Ausgang
Nirgendwo in der Schweiz tanzt es sich so leicht. Nirgendwo sonst ist die Musik derart bereit. Nirgendwo entstehen einfacher Nächte zum Nicht vergessen.
Blick vom Käferberg auf die Stadt
Der Blick vom Käferberg auf den urbanen Flickenteppich Zürichs – der haut mich jedes Mal um. Es gibt da diese eine Stelle wo du zwischen den Schrebergärten hindurchläufst und die Stadt erst gar nicht siehst, weil sie hinter der Hügelkuppe liegt.
Wenn du dann ein paar Schritte weitergehst und die Stadt vor dir ausläuft wie ein Meer aus Beton, wie eine Geliebte fernab jeder Schönheitsnorm … wumm, wumm, wumm.
Restaurants
Die besten kulinarischen Momente dieses Jahres hatte ich definitiv in Zürich. Drei hochempfehlenswerte Restaurants:
Gül – türkische Küche zum Niederknien;
Ikoo – japanische Ramen;

Zawan – das beste Curry in 2020, vielleicht auch für immer;
Die Nähe zum Osten
Von Zürich ist man innert Kürze im Osten der Schweiz – und da kann es verdammt schön sein. Zum Beispiel hier:
Wanderung auf den Säntis (z. B. von Wildhaus oder Schwägalp);

Wanderung von Weesen nach Quinten entlang dem Walensee;
Wanderung vom Caumasee zum Crestasee;
Wanderung von Maloja nach Silvaplana.
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Artikel verfasst von Angelika Imhof

Angelika Imhof arbeitet als Lektorin und freie Journalistin in Bern. Am liebsten schreibt sie über gesellschaftliche Phänomene, interessante Persönlichkeiten sowie Bücher und Filme. Sie ist Co-Founderin der Online-Plattform intimagazine.com.