Wenn der Mann beim Sex das Kondom entfernt, ohne dass seine Partnerin das will, kann er im Gefängnis landen. Eine Strafrechtlerin erklärt.
Ein aufgerissenes Kondom-Pack
Wenn der Mann beim Sex das Kondom ohne das Wissen - oder gegen den Willen - seiner Partnerin auszieht, heisst die Tat «Stealthing». - Pixabay
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Berlin wird ein Mann verurteilt, weil er während dem Sex heimlich das Kondom abstreift.
  • Auch in der Schweiz ist ein solcher Fall von «Stealthing» vor Gericht gekommen.
  • Das Schweizer Urteil fiel schärfer aus, war aber dennoch falsch.

Sie sagt ja zu Sex. Unter einer Bedingung: Dass er ein Kondom benutzt. So sind beide vor Geschlechtskrankheiten und einer ungewollten Schwangerschaft geschützt. Während dem Akt streift er das Kondom unbemerkt ab. 

Die beschriebene Situation heisst «Stealthing». Am Dienstag wurde in Berlin ein 37-jähriger Mann dafür verurteilt. Deutsche Medien sprachen von einem erstmaligen Präzedenzfall. Doch auch in der Schweiz, im Kanton Waadt, musste das Gericht bereits in einem Fall von «Stealthing» Recht sprechen. 

Der Schweizer Fall

«Der Täter entfernte das Kondom entgegen einer expliziten Absprache heimlich unmittelbar vor der Penetration und vollzog mit dem nichtsahnenden Opfer den Geschlechtsverkehr. Dieses bemerkte das Fehlen des Kondoms erst hinterher», erklärt die Juristin Nora Scheidegger vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern den Sachverhalt grob. Der Mann wurde erstinstanzlich wegen Vergewaltigung verurteilt.

 Damit urteilten die Waadtländer anders, als ihre deutschen Kollegen. In Berlin wurde das Urteil auf «sexuellen Übergriff» ausgesprochen, weil das Opfer der Penetration ursprünglich zugestimmt hatte. Diesen Umstand nutzte auch der Täter aus der Schweiz und zog den Fall weiter. «Die zweite Instanz wendete das Urteil der Schändung an. Es stufte die Tat also als Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person ein», erklärt die Strafrechtlerin.

Falsches Urteil

Ihrer Meinung nach sei diese Rechtsprechung allerdings falsch: «Der Schändungstatbestand ist eigentlich nicht für Fälle gedacht ist, in denen das Opfer einem Irrtum unterliegt.» Scheidegger sieht «Stealthing» eher als Körperverletzung: «Stealthing-Opfer sehen sich aufgrund des ungeschützten Geschlechtsverkehrs hinterher häufig gezwungen, bestimmte medizinische Behandlungen vornehmen lassen. Eine HIV-Prophylaxebehandlung zum Beispiel, die bekanntlich mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen kann.»

Der Mann bekam eine bedingte Gefängnisstrafe von 12 Monaten. Damit fällt das Schweizer Urteil strenger aus, als das unserer nördlichen Nachbarn.

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