Wer im ältesten Kochbuch der Deutschschweiz schmökert, wird von 515 Rezepten auf eine Zeitreise in die Küche aus dem 16. Jahrhundert geschickt.
Das ältestes Kochbuch der Deutschschweiz stammt aus dem 16. Jahrhundert und enthält abenteuerlichen Rezepte, wie z.B. Biberschwanz. - Nau
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das älteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz stammt aus dem Jahr 1559.
  • Das Werk wurde per Zufall bei der Räumung eines Estrichs in Zürich gefunden.
  • Das Kochbuch gehörte wahrscheinlich einst der bischöflichen Küche von Chur.

Da wird die Zürcherin Rosmarie Furger nicht schlecht gestaunt haben, als ihr vor vier Jahren beim Räumen eines Estrichs ein richtig alter Schunken in die Hände fiel. «Ein schön Kochbuch» steht auf der ersten Seite, darüber prangt die Jahreszahl 1559. Wie Forschungen später zeigten, stammt das bis dahin unbekannte, handschriftlich verfasste Kochbuch aus Graubünden

«Viel deutet darauf hin, dass das Werk der bischöflichen Küche von Chur gehörte», sagt Archivar Reto Weiss. Einerseits sei die Familie, bei der das Buch gefunden wurde, mit dem damaligen Bischof von Chur befreundet gewesen. Andererseits würden die vielen Gewürze, mit denen die Rezepte angereichert werden zeigen, dass die Gerichte in einem sehr wohlhabenden Haushalt auf den Tisch kamen. Das älteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz wurde inzwischen dem Staatsarchiv Graubünden geschenkt. Hier wird es laut Reto Weiss weiteren Untersuchungen unterzogen.

Reto Weiss im Interview mit Nau. - Nau

Biberschwanz, gefüllte Eierkutteln und Co.

Die im Buch aufgeführten Rezepte hören sich abenteuerlich an: Gefüllte Eierkutteln wurden gekocht oder auch ein saftiger Biberschwanz war im 16. Jahrhundert eine beliebte Speise. Produkte aus der damals neuen Welt fehlen hingegen komplett: «Mais, Tomaten und Kartoffeln haben den Weg nach Chur erst später gefunden», erklärt Reto Weiss. Dafür wurden viele Mehlspeisen zubereitet und Zucker sei ein wichtiges Luxusprodukt gewesen. Auch mit Zimt, Nelken und Ingwer sei im 16. Jahrhundert noch häufiger gekocht worden.

Viele Zutaten aus dem Buch werden in der heutigen Küche nur noch spärlich verwendet oder sind gänzlich unbekannt. «Auch heute gibt es Produkte, die in Mode sind und dann plötzlich wieder verschwinden. Die Quitte wurde vor ein paar Jahren kaum noch gepflückt, heute kommt sie in der Küche wieder rege zum Einsatz.» Als anderes Beispiel nennt Weiss den Kürbis, der seit einiger Zeit wieder die Seiten der neuen Rezept-Zeitschriften füllt.  

Reto Weiss über das älteste deutschsprachige Kochbuch der Schweiz. - Nau

Neuedition für die Öffentlichkeit

Der Historiker Walter Letsch hat in Zusammenarbeit mit dem Bündner Staatsarchiv eine Neuedition des ältesten deutschsprachigen Kochbuches verfasst. «Zuerst wurde der Text transkribiert und dann ins moderne Neuhochdeutsche übersetzt. So kann jeder direkt zur Kochkelle greifen, ohne spezielle historische oder sprachliche Kenntnisse zu besitzen», sagt Reto Weiss erfreut. Die Erstauflage von 500 Stück war innert drei Tagen ausverkauft. Nun hofft Weiss, dass es einige alte Gerichte - vielleicht neu interpretiert - wieder auf den Menüplan schaffen.  

Reto Weiss liest ein Rezept aus dem ältesten deutschen Kochbuch der Schweiz vor. - Nau
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