Japans PS-Ritual zum ersten Sonnenaufgang des Jahres
Das Ritual des «Hatsuhinode» ist eine nächtliche Pilgerfahrt aus Chrom und Neonlicht. Von der legendären Raststätte Daikoku PA bis zu den Serpentinen am Fuji.

Während wir in der Schweiz meist mit einem Glas Wein auf das neue Jahr anstossen, greifen viele Japaner lieber zum Zündschlüssel. Die Tradition des «Hatsuhinode» – des ersten Sonnenaufgangs – vereint im Land der aufgehenden Sonne jahrhundertealte Spiritualität mit modernster Fahrzeugkultur.
Pünktlich zur Geisterstunde rollen hochgezüchtete Motoren in Richtung der Pazifikküste. Die Küstenstrassen füllen sich mit einem bunten Mix aus futuristischen Sportwagen und legendären Klassikern. Dabei geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um die perfekte Position für den ersten Sonnenstrahl des Jahres.

Wer rechtzeitig den Motor abstellt, geniesst den Neujahrsmorgen in einer ganz besonderen Atmosphäre.
Kultstätte auf Asphalt
Die berühmte Raststätte Daikoku PA in der Bucht von Yokohama dient als pulsierendes Herz dieser nächtlichen Bewegung. Hier versammeln sich hunderte Tuning-Fans, um ihre PS-starken Kunstwerke stolz zu präsentieren.
Blinkende Neonlichter und poliertes Chrom spiegeln sich in den Augen der begeisterten Zuschauer. Trotz der enormen Menschenmassen herrscht eine disziplinierte Ordnung auf dem gesamten Parkareal.
Da in Japan eine strikte Null-Promille-Grenze gilt, bleibt die Stimmung friedlich und konzentriert. Man tauscht technische Details aus und wartet gemeinsam auf den entscheidenden Moment am Horizont.
Der Berg ruft die Motoren
Viele Fahrer wählen Routen durch die Bergstrassen mit direktem Blick auf den majestätischen Fuji. Die Infrastruktur der japanischen Autobahnen stösst in dieser Nacht regelmässig an ihre Grenzen.
Kilometerlange Staus bilden sich auf den Wegen zu den besten Aussichtspunkten der Region. Doch für die Teilnehmer ist das Warten im Cockpit bereits ein fester Bestandteil des Rituals.
Moderne Heizsysteme sorgen auch bei winterlichen Temperaturen für den nötigen Komfort. Sobald die Sonne den Gipfel berührt, verstummen die Gespräche – nur noch das Klicken der Kameras ist zu hören.
Ein Fest der Automobilkultur
Diese «Völkerwanderung auf Rädern» zeigt die tiefe Verbundenheit vieler Japaner zu ihren Fahrzeugen. Vom winzigen Kei-Car bis zum exklusiven Importwagen ist jede Fahrzeugklasse vertreten.

Die Polizei überwacht das Geschehen diskret und sorgt für einen geregelten Verkehrsfluss. Oft schliessen sich Marken-Clubs zu langen Kolonnen zusammen und füllen ganze Fahrstreifen.
Bei «Hatsuhinode» geht es um mehr als nur den Transport von A nach B. Das Auto wird zum privaten Rückzugsort und gleichzeitig zum Fenster in ein hoffnungsvolles neues Jahr.
Logistik der ersten Strahlen
Die Planung für diese besondere Nacht beginnt bei vielen Clubs schon Monate im Voraus. Routen werden präzise berechnet, um den idealen Winkel für die Morgensonne zu finden.
Mobile Verkaufsstände versorgen die Wartenden mit heissem Tee und Oden-Eintopf. Sogar die Parkplatzbelegung wird oft via Social Media koordiniert und in Echtzeit geteilt.
Wer keinen Platz am Daikoku PA findet, weicht auf kleinere Buchten entlang der Küste aus. Die gegenseitige Rücksichtnahme unter den Autofahrern prägt dieses Erlebnis massgeblich.











