Das Restaurant Freibank in Bern setzt auf weniger beliebte Fleischstücke. Die Bilanz nach einem Jahr Betrieb: ausgebuchte Tische und eine steigende Nachfrage .
Ewald Plachutta
Tatar vom Rindshuftdeckel, auch Tafelspitz oder Rosenspitz genannt. (Symbolbild)
Das Restaurant Freibank befindet sich im Waaghaus des früheren Berner Schlachthofs, zvg.
Das Restaurant Freibank befindet sich im Waaghaus des früheren Berner Schlachthofs, zvg.
In der "Freibank" in Bern  kommen traditionelle Gerichte "with a twist" auf den Tisch, zvg.
In der "Freibank" in Bern kommen traditionelle Gerichte "with a twist" auf den Tisch, zvg.
Wo früher in der Freibank "bedingt taugliches" Fleisch feilgeboten wurde, steht heute das gleichnamige Restaurant, zvg.
Wo früher in der Freibank "bedingt taugliches" Fleisch feilgeboten wurde, steht heute das gleichnamige Restaurant, zvg.
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Das Wichtigste in Kürze

  • Auch in Zeiten des Nose-to-Tail-Trends sind Edelstücke bei den Schweizer Fleischkonsumenten noch immer am beliebtesten.
  • Das Restaurant Freibank in Bern rückt verschmähtere Fleischstücke in den Fokus und ist damit auf Erfolgskurs.

Hier werden Filet und Hohrücken auf die Ersatzbank verwiesen: Das Restaurant Freibank Speis & Trank in Bern setzt seit seiner Eröffnung Ende August 2017 gezielt auf ein ausgewogenes Verhältnis unterschiedlichster Fleischstücke in seiner Küche. Der Fokus liegt auf Schmorstücken, Siedfleisch, Innereien und Wurstwaren, die auch in Zeiten des Nose-to-Tail-Trends vom Gros der Konsumentinnen und Konsumenten noch immer zögerliche Beachtung finden: «Wir rücken weniger beliebte Stücke ins Zentrum, die in grossen Mengen vorhanden sind und verwenden im Gegenzug Edelstücke, die nur einen kleinen Teil des Tieres ausmachen, möglichst gar nicht», sagt der Co-Geschäftsführer und Gastgeber Florian Jenzer zum Freibank-Konzept.

Gemäss Zahlen der Branchenorganisation Proviande machen beim Rind die beliebtesten Stücke von Plätzli über Roastbeef bis zum Hohrücken nur gerade 36 Prozent des gesamten Schlachtgewichtes aus – die Freibank konzentriert sich also bewusst auf die anderen 64 Prozent. «Wir wollen zeigen, dass sich mit den passenden Zubereitungsarten und einer kreativen Angebotsgestaltung daraus genauso schmackhafte Gerichte zubereiten lassen und diese Stücke damit ins Bewusstsein rücken», so Florian Jenzer. Der Hotelier-Restaurateur gehört zum vierköpfigen Inhaberteam des Gastrounternehmens Eggstern & Partner, das hinter der Projektierung und Führung des Restaurant Freibank steht.

Authentische Positionierung bringt ausgebuchte Tische

Am Standort im neuen Quartier WankdorfCity und seinem Dienstleistungs- und Gewerbezentrum mit rund 5000 Arbeitsplätzen findet diese Ausrichtung nach einem Jahr Betrieb Anklang: «Wir wurden erfreulich positiv aufgenommen und können bereits auf eine treue Stammkundschaft zählen», sagt der zweite Freibank-Geschäftsführer Adrian Wittwer. Die Tische zu den Stosszeiten am Mittag seinen in den letzten Monaten regelmässig ausgebucht gewesen und auch die Nachfrage nach Apéros und Privatevents am Wochenendende nehme stetig zu. «Diese Resonanz zeigt uns, dass die Leute eben doch nicht nur Edelstücke wollen – wenn die klare Positionierung und offene, transparente Kommunikation mit den Gästen stimmt», sagt Florian Jenzer.

Die Positionierung mit einer ganzheitlichen Schlachttierverwertung kommt nicht von ungefähr: Das Restaurant befindet sich im Waaghaus des früheren Berner Schlachthofareals. Hier boten die Metzger in der integrierten «Freibank» Fleisch feil, das als «bedingt tauglich» eingestuft wurde, weil es von notgeschlachteten, meist verunfallten Tieren stammte. Die Untersuchungen von Freibankfleisch mussten aber besonders gründlich vor sich gehen – so gelangte qualitativ einwandfreies Fleisch zu niedrigen Preisen in den Verkauf, auch wenn ihm der schlechte Ruf in der breiteren Bevölkerung oft zu Unrecht haften blieb.

Nicht nur mit dem Namen des Lokals wollen die Berner also eine Brücke schlagen vom historischen Hintergrund des Standortes, sondern mit dem ganzen Konzept: «Die Freibank ist keine weitere Kulissengastronomie an Hochfrequenzlage. An diesem geschichtsträchtigen Ort legen wir den Fokus darauf, was hier tatsächlich stattgefunden hat: eine ganzheitliche, nachhaltige Schlachttierverwertung», sagt Mitinhaber Jürg Wirz. Es soll aber nicht darum gehen , Fleischkonsum gezielt zu pushen. «Vielmehr wollen wir an unserem Standort, wo gerade weniger beliebtes Fleisch lange eine so zentrale Rolle spielte, auf einen verantwortungsvollen Konsum aufmerksam machen.»

Tatar vom Rindshuftdeckel, Fleischkäse mit Onsen-Ei

Das Team um Küchenleiter Adrian Urfer greift für die Mittagsteller auf alte, modern interpretierte Rezepte zurück: Ein Rindstroganoff vom Flanksteak zum Beispiel trifft auf Pilaw Reis und geröstete Mandeln, Fleischkäse auf ein bei 64,5 Grad pochiertes Ei (Onsen-Ei) oder ein Burger aus Epsacher Linsen auf Hagebutten-Ketchup – vegetarische Gerichte sind in der Freibank als gleichwertiges Angebot konzipiert. Gerade an das Thema Innereien führt man die Gäste schrittweise heran, etwa mit Brätchügeli-Pastetli mit oder ohne Milken. «Wir stellen fest, dass gerade wiederkehrende Gäste, die unsere Küche kennen, sich eher für Innereien entscheiden. Unsere Philosophie wächst also mit dem gewonnenen Vertrauen unserer Gäste, und darauf können wir weiter aufbauen», sagt Adrian Wittwer. Insgesamt wurden in der Freibank bis Ende Juli 2018 3,8 Tonnen Fleisch verarbeitet – darunter kein einziges Filet-, Hohrücken- oder Nussstück. Für Herbst 2018 sind nun spezielle Events in Planung: eine Suppenhuhn-Soirée zum Beispiel, ein ganzheitlicher Wildabend und zur Weihnachtszeit eine kulinarische Inszenierung im Aussenbereich zum Thema Fleisch, Feuer und Eisen.

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