Der König der Niederlagen steht ganz oben
Wieder gewinnen die Florida Panthers den Stanley Cup. Zu den Helden gehört der Coach Paul Maurice – obwohl das sehr lange ganz anders aussah.

Im Sommer 1985 wurde Paul Maurice von den Philadelphia Flyers gedraftet. An 252. Stelle, als letzter Spieler nach zwölf langen Runden.
Seine Freunde foppten ihn dafür, am gleichen Abend durfte Maurice als Letzter ins Taxi einsteigen, als Letzter zur Bierflasche greifen und natürlich musste er den Abend zahlen. Den Sinn für Selbstironie und Sarkasmus hat er sich bis heute bewahrt.
Maurice wuchs in Sault Ste. Marie auf, einer Kleinstadt in Ontario. Er verbrachte seine Kindheit damit, Eishockey entweder zu spielen oder zu schauen.
Er vergötterte Wayne Gretzky und Paul Coffey, die beide in Sault Ste. Marie gespielt hatten, für die Soo Greyhounds. Manchmal spielten sie im Sommer einen Steinwurf von Maurices Zuhause Strassenhockey.

Er versuchte, diesen Granden nachzueifern, realisierte aber schnell, dass das Talent nicht ausreicht. Schon mit 21 sattelte er um und wurde Assistenztrainer. Mit 28 wurde er Headcoach der Hartford Whalers.
Die Whalers existieren schon lange nicht mehr – 1997 zogen sie nach Raleigh weiter, seither heisst die Franchise Carolina Hurricanes.
Maurice aber ist immer noch in der Liga, seine Geschichte erzählt von Beharrlichkeit und Geduld. Denn Maurice musste jahrzehntelang Enttäuschungen hinnehmen, bevor er den ganz grossen Wurf landen konnte.
In der Geschichte der NHL hat kein Trainer mehr Spiele verloren als Maurice, 767 Niederlagen sind es schon. In den ersten 19 Jahren in der Liga verpasste er 14 Mal entweder die Playoffs, oder wurde entlassen.
Rücktritt in Winnipeg
Im Dezember 2021 trat er nach mehr als acht Jahren als Coach der Winnipeg Jets zurück, weil er der Überzeugung war, dass die Mannschaft eine neue Stimme braucht.
Rücktritte sind selten geworden im modernen Sport, kaum jemand hat die Integrität, um ein Scheitern einzugestehen und auf Geld zu verzichten.

Knapp 55 war Maurice da, er wähnte sich bereits in einer Art Vorruhestand: «Ich hatte meinen Frieden mit dem Eishockey geschlossen und dachte, dass bald ein neuer Lebensabschnitt beginnt.»
Doch Bill Zito hatte andere Pläne. Zito war lange ein erfolgreicher Spieleragent, im Herbst 2020 wurde er General Manager der Florida Panthers.
Bevor er im Sommer 2021 einen Trainer einstellte, fragte er drei Spieler, wer der beste Coach sei, mit dem sie je gearbeitet hätten.
Es handelte sich um einen NHL-Star, einen Mitläufer und einen Akteur, der das Gros seiner Karriere in der AHL verbrachte; drei Männer aus drei verschiedenen Ländern.
Die aber unisono diese Antwort lieferten: Paul Maurice. «Er war der Mann für diesen Job», sagte Zito später. Und einigte sich mit Maurice auf einen Dreijahresvertrag.
Die ungenannten Spieler sind nicht die einzigen, die warme Worte für den Trainer fanden.
Auch Ralph Krueger gehört zu den Bewunderern, seit Maurice am World Cup 2016 als Assistent für das Team Europe wirkte. «Er verkörpert einen ansteckenden Mix aus Lockerheit und Seriosität», sagt Krueger.

Maurice und Florida: Diese Liaison funktionierte von Beginn weg. Bereits in seiner ersten Saison führte der Kanadier das Team in den Stanley Cup-Final, wo die Vegas Golden Knights allerdings noch Endstation bedeuteten. Das entscheidende fünfte Spiel verlor Florida mit 3:9, es war ein Debakel.
Doch 2024, nach 1985 gecoachten NHL-Partien, war Maurice tatsächlich am Ziel: Er führte die Panthers zur ersten Meisterschaft der Klubhistorie.
2025 hat Florida den Titel verteidigt, wieder hielt das Team im Final die Edmonton Oilers um die Superstars Connor McDavid und Leon Draisaitl in Schach. 2024 in sieben und nun in sechs Spielen.
Es zeigt, dass auch für die erfahrensten, glücklosesten Trainer die Chance besteht, die Geschichte umzuschreiben, im Herbst der Karriere.
Die Panthers konnten sich auf ihre Kadertiefe verlassen, auf die Tore von Sam Reinhart und Sam Bennett. Und nicht zuletzt darauf, dass sie mit Sergei Bobrowski den deutlich besseren Torhüter in ihren Reihen hatten.

2024 wurden sie nicht nervös, nachdem sie eine 3:0-Serienführung vergeben hatten. Und auch 2025 nicht, nachdem sie Spiel 4 trotz einer 3:0-Führung nach dem ersten Drittel noch verloren.
«Du willst, dass dein Team etwas Bestimmtes verkörpert. Dass es eine Identität hat. Unser Anspruch ist nicht, zu spielen, um nicht zu verlieren. Sondern zu spielen, um zu gewinnen», sagte Maurice.
Seit 1983 gab es keinen «Threepeat» mehr
Es ist schwierig, im US-Sport einen Titel zu verteidigen. Der neuerliche Triumph Floridas ist nicht zuletzt das Produkt ihrer bemerkenswerten Kultur.
Der Stürmer A. J. Greer, in der NHL zuvor bei Colorado, New Jersey, Boston und in Calgary nicht glücklich geworden, erzählte «Sportsnet», dass er nach seinem Wechsel zu den Panthers im Sommer schnell realisiert habe, was es geschlagen hat.

«Wir absolvierten ein Vorbereitungsspiel in Québec City. Ich dachte: Die nehmen das vermutlich nicht so ernst, nicht als amtierender Champion. Aber nach dem Spiel haben alle ein ganzes Work-Out gemacht. Und so ging es das ganze Jahr. Diese Mannschaft überlässt nichts dem Zufall, dieser Ehrgeiz ist ansteckend.»
Es ist Maurice, der diese Kultur implementiert hat. Und es fragt sich, ob es den Panthers unter seiner Führung sogar möglich sein könnte, den «Threepeat» zu schaffen.
In der Historie der NHL ist das erst drei Organisationen gelungen: Montréal, Toronto und zuletzt zwischen 1980 und 1983 den New York Islanders.
Floridas finnischer Captain Aleksander Barkov sagte während der rauschhaften Meisterfeier: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir den Fuss vom Gas nehmen.»

Floridas Kollektiv wird 2025/26 anders aussehen, in einer Liga mit Gehaltsobergrenze ist das alternativlos. Aber was die Bescheidenheit und Demut angeht, kann Florida sich auch in der kommenden Saison an seinem Trainer orientieren.
Auf die Frage, inwiefern sich sein Leben als Stanley Cup-Champion verändert habe, antwortete Paul Maurice: «Ich hoffe, dass ich genug Lebenserfahrung habe, damit der Gewinn einer Trophäe nicht daran ändert, wie ich die Menschen um mich herum behandle.»
Meiste Niederlagen als NHL-Headcoach
1. Paul Maurice (Florida Panthers) 767; 2. Lindy Ruff (New Jersey Devils) 718; 3. Barry Trotz (GM Nashville Predators) 670; 4. John Tortorella (Philadelphia Flyers) 648 ; 5. Al Arbour 577
Meiste Siege als NHL-Headcoach
1. Scotty Bowman 1244; 2. Joel Quenneville (Anaheim Ducks) 969; 3. Paul Maurice (Florida Panthers) 916; 4. Barry Trotz (GM Nashville Predators) 914; 5. Lindy Ruff (Buffalo Sabres) 900
Die Stanley Cup-Champions der letzten zehn Jahre
Florida Panthers (2025), Florida Panthers (2024), Vegas Golden Knights (2023), Colorado Avalanche (2022), Tampa Bay Lightning (2021), Tampa Bay Lightning (2020), St. Louis Blues (2019), Washington Capitals (2018), Pittsburgh Penguins (2017), Pittsburgh Penguins (2016)